Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
war vorbei zwischen uns, noch bevor – bevor diese ganze Sache passiert ist.«
Mehr sagte er nicht. Kein Wort von seinen Gefühlen für sie, Isabel.
Vom Hafen erklangen das Tuten eines Schiffshorns und das Schreien einiger Vögel. Isabel schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich entsetzlich erschöpft und ausgelaugt.
»Bevor wir weiterreden – könntest du vielleicht …« Noah deutete mit dem Kopf auf den kleinen Schlüssel zu seinen Füßen, der halb im dunklen Schlamm versunken war. »Wenn du willst, kannst du natürlich auch eine Haarnadel nehmen.«
Isabel war nicht nach Scherzen zumute. Sie bückte sich schwerfällig. Es brauchte einige Anläufe, bis es ihr gelang, die Handschellen aufzuschließen. War es Noahs unmittelbare Nähe oder die drückende, feuchte Hitze, die ihre Hände zittern ließ?
»Isabel?« Noahs Stimme klang auf einmal wie aus weiter Ferne. »Isabel, was ist denn los?«
»Lass mich …«
Sie wehrte seine Hand ab, wankte ein paar Schritte bis zur untersten Stufe der Treppe, die zu Bertholds Haus führte, und setzte sich. In ihrem Kopf drehte sich alles, ihre Ohren klangen, die Umgebung verschwamm.
»Mir ist … nicht gut …«, murmelte sie. Ein Schauer überlief sie, sie schloss die Augen.
Plötzliche, heftige Übelkeit überkam sie. Sie beugte sich vor und begann zu würgen, zitternd und mit kaltem Schweiß bedeckt, bis sie sich auf die Straße erbrach.
O Gott, war ihr das peinlich! Sie wollte Noah fortschieben, der schon wieder an ihrer Seite war, aber ihr fehlte die Kraft, und er ließ sich sowieso nicht vertreiben. Und schon kam die nächste Welle von Übelkeit.
Sie würgte selbst dann noch, als sie längst nichts mehr im Magen hatte. So lange, bis sich die dunklen Schleier einer Ohnmacht über sie senkten. Halb bewusstlos spürte sie noch, wie Noah sie hochhob und die Treppe hinauftrug, dann schwanden ihre Sinne.
*
Als sie wieder zu sich kam, schmerzten ihr alle Glieder, und ihr war entsetzlich kalt. Ihr Körper bebte, ihre Zähne schlugen laut aufeinander. Unter ihren zitternden Fingern spürte sie Rattangeflecht. Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah eine Blumentapete mit hellen Flecken, wo einmal Bilder gehangen hatten. Sie ruhte in Bertholds Salon, in einem ausladenden Schaukelstuhl aus Rattan. Bis auf die Möbel und ein paar spärliche Reste von Nippes war der Raum leer; ohne die Bilder an den Wänden wirkte das Zimmer trostlos.
»Noah?«
»Ich bin hier.«
»Wo … Wie sind …?«
»In von Fabers Haus. Ich habe die Tür eingetreten«, sagte er entschuldigend.
Als ein kolikartiger Krampf ihren Leib durchfuhr, krümmte sie sich stöhnend zusammen und schlug sich die Hand vor den Mund. Noah griff nach einer breiten, mit Hibiskus gefüllten Vase, die auf der Anrichte stehen geblieben war, kippte das Wasser samt Blumen auf den Boden und hielt Isabel die Vase hin. Keine Sekunde zu früh, denn schon würgte sie erneut und erbrach eine dunkelgrüne, zähe Masse.
Danach sank sie erschöpft in den Schaukelstuhl zurück, ihr ganzer Körper zitterte vor Kälte.
Noah sah sie besorgt an. »Ich schaue, ob ich irgendwo noch eine Decke finde.«
Isabel schloss die Augen. In ihren Schläfen dröhnte und hämmerte es, sie fühlte sich elend. Wieso bekam sie ausgerechnet jetzt einen Malariaanfall? Sie hatte doch erst heute Morgen ein Gramm Chinin genommen! Aber so schlimm war es noch nie gewesen.
Aus einem der angrenzenden Zimmer hörte sie, wie Noah Schubladen aufzog und wieder zuschlug. Urplötzlich verspürte sie starken Harndrang, und bevor sie es verhindern konnte, hatte sie sich auch schon eingenässt.
Sie schluchzte vor Schreck und Scham auf. So etwas war ihr noch nie passiert, sie konnte doch nicht … Bebend zerrte sie an ihrem Rock, um sich die Bescherung anzusehen.
Dann erstarrte sie. Vor Furcht konnte sie kaum atmen.
»Noah …« Sie wollte es rufen, brachte aber nur ein zittriges Hauchen zustande.
Der hellblaue Stoff ihres Rocks sah aus, als hätte man ihn in Kirschsaft getaucht, ihr Urin hatte ihn dunkelrot, fast schwarz durchtränkt.
Die Färbung, von der die Krankheit ihren Namen hatte.
Schwarzwasserfieber.
25.
Isabel schlug die Augen auf. Nach dem Schüttelfrost war das Fieber gekommen, heftig und glühend, gepaart mit trockenem Würgen, das ihren ganzen Körper erbeben ließ, und jetzt hatte sie schrecklichen Durst. Ihre Glieder schmerzten, ihr Kopf, ihr ganzer Körper tat weh.
Es war Nacht geworden, die Flamme einer einzelnen Kerze flackerte unruhig
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