Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
Netz auch schon wieder sinken lassen und war verschwunden.
» Misa Lores, misa Lores, tisa Isa wach, tisa Isa wach!«, hörte sie ihn draußen aufgeregt rufen.
Bald schon tauchte die hagere Gestalt von Bruder Lorenz neben ihr auf.
»Schwester Maritz!« Ein erleichtertes Lächeln ging über sein Gesicht. »Endlich! Wie geht es Ihnen?«
Sie versuchte, ebenfalls zu lächeln. Ihr Mund war vollkommen ausgetrocknet, und sie fühlte sich noch immer sehr schwach. »Ganz … gut. Ich … Könnte ich … etwas trinken …?«
»Natürlich.« Er füllte einen Becher mit Wasser und half ihr beim Trinken.
»Wie … lange …?«
»Vier Tage«, gab er zurück. »So lange sind Sie schon wieder hier in Simbang.«
»Simbang …«, flüsterte sie. Sie war wirklich wieder in Simbang. Es war ein wunderbares Gefühl. Fast wie Heimat. »Noah … Wo ist er …?«
Bruder Lorenz zögerte merklich. »Schlafen Sie erst einmal, Schwester Maritz. Er wird später zu ihnen kommen.«
Später? Wieso nicht jetzt? »Ist er auch …?« Erschrocken wollte sie sich aufrichten, fiel aber kraftlos wieder zurück.
»Nein, nein, es geht ihm schon wieder gut. Es war nur eine kleine … Unpässlichkeit. Nichts Gravierendes.«
Er blickte auf, als von draußen Noahs Stimme zu hören war.
»Isabel? Ist sie wirklich aufgewacht?«
»Ich hatte ihm doch gesagt, er solle sich schonen.« Bruder Lorenz’ Mund hinter dem zerzausten Bart verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln. »Aber euch beide kann man offenbar nicht lange trennen.«
*
»Du bist vollkommen verrückt, weißt du das?« Isabel strich über den Verband, der sich um den kleinen, jetzt deutlich kürzeren Finger von Noahs linker Hand wand. Sie lagen auf dem Bett in Isabels Hütte, nur ein Laken über ihrer Mitte. »Sich einen Finger abzuschneiden!«
»Es war ja kein ganzer Finger. Nur das oberste Stück.«
»Hast du wirklich geglaubt, dass ich davon gesund werde?«
Er hob die Schultern. »Ich wusste nicht, was dir sonst noch helfen könnte. Und es hat ja geklappt. Auch wenn Paul das natürlich anders sieht. Er hält das für heidnischen Unfug.«
Bruder Lorenz war über Noahs abgetrenntes Fingerglied genauso fassungslos wie sie selbst gewesen. Zwei Wochen lag das jetzt zurück. Auch jetzt noch wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Was hast du damit gemacht? Gegessen?«
»Wie bitte?« Er sah sie empört an. »Ich bin doch kein Kannibale! Nein, ich habe es im Wald vergraben.«
Aus dem Schulhaus erklangen die Stimmen der Kostschüler, die von Bruder Lorenz unterrichtet wurden. Die beiden anderen Missionare waren unterwegs.
»Hat das nicht schrecklich weh getan?«
»Es war auszuhalten.« Von Bruder Lorenz wusste sie allerdings, dass sich die Wunde entzündet und ihm Fieber und höllische Schmerzen beschert hatte. Aber davon sagte er nichts. »Ich würde es jederzeit wieder machen.«
»O nein, bitte nicht! Versprich mir, dass du dir nichts mehr abschneidest! Ich habe dich lieber in vollständigem Zustand.«
»Tatsächlich?« Ein breites Lächeln ging über sein Gesicht. »Den Eindruck hatte ich allerdings auch.«
Ihr Körper glühte noch immer von dem, was sie gerade erst getan hatten. Diesmal hatte er sich mehr Zeit gelassen als bei ihrem erzwungenen ersten Mal bei den Donowai. Sehr viel mehr. Auf immer neue Arten hatte er ihren Körper liebkost und erforscht und zum Schmelzen gebracht, bis ihr Sehnen übermächtig wurde und sie darum bettelte, endlich erlöst zu werden. Nie, niemals hätte sie gedacht, dass es dermaßen himmlisch sein könnte. Dass sie zu einer solchen Ekstase fähig war. Dass es Gefühle gab, die in Wellen durch ihren Körper rauschten und alles mit sich rissen.
Jetzt schob Noah das Laken fort und strich mit seiner unversehrten Rechten sanft über Isabels Bein. Das rechte, das schwache Bein. Plötzlich fühlte sie sich eigenartig verwundbar.
»Nicht.« Sie versuchte, das Laken wieder über ihre Beine zu ziehen.
Er hielt es fest. »Wieso nicht?«
»Weil … Ich habe es immer versteckt. Mich immer dafür geschämt.«
»Das solltest du nicht. Es gehört zu dir. Und es ist wunderschön.«
Sie lachte auf. »Ja, natürlich.«
»Ich liebe dich so, wie du bist. Mit all deinen vermeintlichen Makeln.«
Ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer. »Sag das noch mal!«
»So, wie du bist«, wiederholte er. »Mit all –«
»Nein, nicht das! Was du davor gesagt hast.«
Er sah sie an und strich erneut über ihren Oberschenkel.
»Nindi anggolo« , murmelte
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