Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
natürlich ist es das.«
In ihrem Magen war plötzlich ein Zittern. Sie schluckte krampfhaft und bemühte sich, Berthold in die Augen zu sehen, als sie sagte: »Er … er hat mich nicht entführt. Ich bin … freiwillig mitgegangen.«
Noah gab einen Laut von sich, der wie ein verschlucktes Husten klang.
»Wie bitte?« Berthold lachte auf. »Was erzählen Sie denn da? Ich war doch dabei! Ich habe doch gesehen, was vorgefallen ist! Er hat Sie mit einem Messer bedroht und Sie in den Urwald verschleppt!«
»Nein, so war es nicht«, gab Isabel mit fester Stimme zurück. Sie wagte nicht, Noah anzusehen. »Und ich … Berthold, es tut mir leid, aber ich werde Sie nicht heiraten.«
Berthold blinzelte, dann ließ ein verlegenes Lächeln sein Gesicht noch breiter werden. »Oje, da war ich wohl mal wieder ein bisschen zu voreilig. Isabel, Liebste, wenn Sie mehr Zeit brauchen, können wir mit der Heirat natürlich auch noch warten, und ich –«
»Nein«, entfuhr es ihr. Allmählich wurde ihr das alles zu viel. Wieso konnte er sie nicht endlich verstehen? »Ich werde Sie überhaupt nicht heiraten. Nicht jetzt, und auch nicht später. Und Noah hat mich nicht entführt.« Sie blickte zu Boden, dann sah sie wieder auf. »Er hat auch sonst nichts gegen meinen Willen getan«, setzte sie leise hinzu.
Berthold sah sie lange an, während sich die Zeit unnatürlich zu dehnen schien. Natürlich wusste er, dass sie log. Und dann endlich begriff er auch das andere. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
»Sie … Sie wollen damit doch nicht wirklich andeuten … dass Sie … und dieser … dieser …«
»Doch«, sagte Isabel leise. »Das will ich.«
»Das … das glaube ich einfach nicht!« Berthold wirkte vollkommen erschüttert. »Ich erkenne Sie nicht wieder, Isabel.«
Das tat sie ja selbst kaum. Für einen Moment befürchtete sie, Berthold würde seinen Revolver ziehen. Aber er stand nur da und starrte sie an wie ein waidwundes Tier.
»Das ist Ihr letztes Wort?«, presste er schließlich hervor.
Isabel nickte stumm. Sie brachte keinen Ton mehr heraus.
Seine Züge wurden hart. »Dann sehe ich unsere Verlobung hiermit als gelöst an. Leben Sie wohl, Fräulein Maritz.«
Henriette, die bis jetzt auf der Veranda gewartet hatte, schloss die Haustür ab und kam langsam die Treppe herunter. Sie wirkte nicht sonderlich erschüttert. »Nun, dann haben wir auch das geklärt«, sagte sie kühl. »Gib ihnen den Schlüssel für die Handschellen, Berthold, und dann lass uns aufbrechen.«
Berthold sah sie verstört an, dann griff er in seine Westentasche, beförderte einen kleinen Schlüssel heraus und warf ihn vor Noah in den Schlamm. »Ich hätte dich wirklich erschießen lassen sollen!«
Henriette war am Fuß der Treppe angelangt. »Sie sind sehr mutig, Isabel«, sagte sie vernehmlich. »Oder sehr töricht. Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.«
Sie wartete, bis die Polizeisoldaten ihr Platz machten, und blieb vor Noah stehen. In Isabel zog sich etwas zusammen, als sie sah, wie er Henriette anlächelte.
Im nächsten Moment schlug ihm Henriette mit der flachen Hand ins Gesicht. »Freu dich nicht zu früh! Hoffentlich krepierst du an dieser Seuche!« Dann drehte sie sich um. »Komm, Berthold. Die beiden sind es nicht wert, dass man sich länger mit ihnen abgibt.«
Sie ließ sich von ihrem Bruder in die Kutsche helfen, dann fuhren sie gemeinsam davon in Richtung Hafen. Kiso, die beiden anderen Angestellten und die Soldaten folgten ihnen in geringem Abstand.
Isabel sah ihnen nach, bis sie um eine Ecke verschwunden waren. Ihr Kopf schmerzte, und plötzlich hatte sie das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen.
Sie war allein. Allein mit Noah.
»Du bist unglaublich.« Er sah sie an, seine blauen Augen leuchteten. »Wieso bist du nicht mit ihm gegangen? Wieso hast du für mich gelogen?«
Was sollte sie darauf schon antworten? Weil ich dich liebe? Wie konnte sie sicher sein, dass sie ihm überhaupt etwas bedeutete?
Noch immer hatte sie das Bild vor Augen, wie er Henriette angelächelt hatte, und dieses Bild vermischte sich mit der Vorstellung, wie die beiden miteinander schliefen. Plötzlich war sie sich ganz und gar nicht mehr sicher, ob sie das Richtige getan hatte. Ob es nicht doch Henriette war, der sein Herz gehörte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, mit Berthold nach Stephansort zu gehen.
»Liebst du sie noch?«, brachte sie leise hervor.
»Wen?«
»Henriette natürlich.«
»Ich liebe sie nicht! Das habe ich nie. Und es
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