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Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)

Titel: Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Leinenhemd floss Isabel der Schweiß. Sie saß hinter einem schwarzen Träger namens Alinga im Kanu, bebend vor Angst und Ungeduld, und sah angespannt nach vorne. Jetzt, da sie endlich unterwegs waren, konnte es ihr nicht schnell genug gehen. Am liebsten hätte sie selbst zu einer der langen Stangen gegriffen, um noch rascher voranzukommen.
    Bitte, lieber Gott , betete sie stumm, lass alles gutgehen. Lass uns rechtzeitig kommen. Lass ihn am Leben sein.
    Sie drückte sich den Strohhut, den ihr einer der Männer gegeben hatte, tief ins Gesicht und wedelte mit den Armen, um die Mücken abzuwehren.
    Niemand sprach. Unter ihnen glitt der Fluss dahin, wurde schmaler und dann wieder breiter. Vögel flogen über sie hinweg und ließen sich am Ufer nieder. Zu beiden Seiten wucherte der Urwald, hingen Lianen ins Wasser. Zwischen den Bäumen leuchteten große feuerrote und grellgelbe Blüten. Vor kurzem noch war Isabel hier entlanggelaufen.
    Links und rechts von ihnen stieg das Gelände allmählich zu mit dichtem Buschwerk bewachsenen Wänden an, formte sich zu einer Schlucht, auf deren Grund sich der Fluss schlängelte. Vor einer weiteren Krümmung deutete Herr Lauterbach nach vorne und drehte sich zu ihr um. Isabels Herzschlag beschleunigte sich: Sie erkannte die großen Steine im Flussbett wieder, über die Noah bei ihrer gemeinsamen Flucht auf Isabels Seite gewechselt war. Sie nickte Lauterbach zu. Hier würden sie an Land gehen.
    *
    Isabel führte die Männer am Ufer entlang. Auf ihrer Seite der Schlucht hingen noch die Überreste der Brücke, die Noah zerstört hatte. Die Herren Wackernagel und Kunze waren wie geplant mit drei Trägern, einigen Kanus und dem größten Teil der Ausrüstung vorausgefahren.
    »Sie warten hier, Fräulein Maritz«, sagte Lauterbach, als sie den Männern den vom Gebüsch fast verborgenen Trampelpfad zeigte, der vom Flussufer hinaufführte. »Buassi wird bei Ihnen bleiben und Sie –«
    »Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, Herr Lauterbach«, unterbrach Isabel ihn und schüttelte den Kopf, »aber das werde ich nicht tun.«
    »Es ist viel zu gefährlich für eine Frau«, beharrte der Expeditionsleiter.
    Noch vor wenigen Wochen hätte sie ihm bedenkenlos zugestimmt. Inzwischen aber hatte sich so vieles geändert. Auch sie selbst.
    »Ich habe mich zwei Tage lang alleine durch diese Wildnis geschlagen«, gab sie mühsam beherrscht zurück. Jede Verzögerung konnte Noahs Tod bedeuten. »Und ich bin die Einzige, die das Dorf kennt. Außerdem brauchen wir so viele Männer wie möglich, und in dieser Kleidung wird mich so schnell niemand als Frau erkennen.«
    Lauterbach sah sie sichtlich verärgert an, dann nickte er widerwillig. »Also gut, aber halten Sie sich im Hintergrund. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn Ihnen etwas passiert.«
    Die Männer hatten ihre Gewehre im Anschlag, Isabel hielt ihr Buschmesser umklammert, während sie sich auf dem Dschungelpfad vorsichtig dem Dorf näherten. Schweiß verklebte Isabels unter dem Hut hochgesteckten Haare, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hoffte inständig, dass die männlichen Donowai wie meistens um diese Zeit auf der Jagd und die Frauen auf den Feldern waren.
    Sie hatten Glück. In der gleißenden Nachmittagssonne schien das Dorf tatsächlich verlassen, nirgendwo war einer der Wilden zu sehen. Nur Vogelzwitschern, Mückensirren und das leise, dumpfe buu-buu des Kasuars in seinem Holzverschlag durchbrachen die nachmittägliche Stille. Am Dorfrand erhob sich wie ein Mahnmal der Sprungturm, Lianen hingen von den auf unterschiedlicher Höhe angebrachten Plattformen und bewegten sich schwach in einer leichten Brise.
    Die Mischung aus Angst, Hoffnung und Unruhe, die Isabels Inneres erfüllte, war kaum zu ertragen. Wo war Noah? Sie wollte nach ihm rufen, wagte es aber nicht. Jederzeit konnten die Donowai auftauchen.
    »Wo könnte Ihr Bruder sein?«, wollte Jensen, einer der Forscher, leise von ihr wissen.
    »Ich weiß es nicht. Womöglich halten sie ihn irgendwo gefangen. Vielleicht … vielleicht im Männerhaus. Dort.« Isabel deutete auf das langgestreckte, mit prachtvollem Schnitzwerk versehene Gebäude.
    Einer der einheimischen Träger mit Namen Tupia wurde, das Gewehr im Anschlag, ins Männerhaus geschickt, um nachzusehen, kam jedoch schon bald unverrichteter Dinge wieder zurück.
    »Nogat man insait« , konstatierte er auf Tok Pisin, was wohl so viel heißen sollte wie »niemand da«.
    »Was ist damit?« Dr. Timm wies auf das Gebäude

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