Im Herzen der Wildnis - Roman
perlenbestickten Hochzeitskleid, das sie ihm gerade auf eine sehr verführerische Weise vorgeführt hatte, trug er unter dem Arm.
Sobald die Ladentür hinter ihnen zugefallen war, wandte sie sich ihm zu und küsste ihn innig. »Als Trauzeuge machst du dich wirklich gut, Rob.«
»Glaubst du, dass Lance derselben Meinung ist?«
»Nein, vermutlich nicht. Aber Josh findet das auch. Er hat heute Morgen aus Nome telegrafiert. Er lässt dir herzliche Grüße ausrichten und wünscht dir und Shannon ein frohes Weihnachtsfest.« Sie lächelte verschmitzt. »Josh hat eine Liste deiner Aufgaben aufgestellt.« Arm in Arm schlenderten sie den Gehsteig entlang zu Robs Auto. »Er schreibt, deine Aufgabe als mein Trauzeuge bestünde darin, mir im Falle letzter Zweifel, ob ich heiraten soll, zur Seite zu stehen.«
Er zog sie näher an sich und schmuste mit ihr.
»Außerdem sollst du dem Ehepaar Brandon-Burnette nach der Trauung im Mai stets als bester Freund und Vertrauter mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
»Solltest du dich von Lance scheiden lassen, bin ich immer für dich da!«, neckte er sie.
Sie lachte vergnügt. »Hast du noch ein bisschen Zeit?«
»Was hast du vor?«
»Dich zum Abendessen einzuladen.«
Ja, warum nicht? Shannon war mit Tom nach Buena Vista gefahren. Sie wollte mit ihm den Truthahn für das Festessen am morgigen Heiligabend schießen. Ein Weihnachtsvergnügen der Yankees, das Tom sich nicht entgehen lassen wollte. Es bedeutete Tom so viel, Weihnachten noch zu erleben und die Geschenke zu überreichen, die unter dem Baum lagen. Wie er vor Lebensfreude gestrahlt hatte, als er vorhin mit Shannon weggefahren war! Die beiden hatten so viel Spaß miteinander!
»Und wo?«
Sie hatten seinen Buick erreicht, der am Straßenrand parkte.
»Lass dich überraschen!«
Rob schloss die Tür, kurbelte mit Schwung den Motor an und stieg in den Buick. In den letzten Wochen war er einige Autos probegefahren und hatte sich schließlich für den Buick entschieden, weil er sich besser fuhr als der Duryea. Shannon wollte auf den neuen Leland warten, der in zwei oder drei Jahren unter dem neuen Namen Cadillac produziert werden sollte. Zugegeben, das Modell gefiel Rob auch, aber noch so lange warten? Doch Shannon hing an ihrem Duryea. Tom hatte ihr den roten Flitzer geschenkt …
In flottem Tempo fuhr er die Market Street entlang in Richtung Palace Hotel, als Sissy ihn in die Van Ness Avenue abbiegen ließ. Kurz darauf hatten sie die Lombard Street erreicht. Rob fuhr den Russian Hill hinauf und genoss den spektakulären Blick auf das Golden Gate. Dann ging es steil bergab, und Sissy deutete auf ein viktorianisches Häuschen, an dessen Fassade sich eine Bougainvillea emporrankte. Er parkte den Buick quer zur Lombard Street. »Wem gehört das Haus?«
»Josh«, erwiderte sie. »Ian hat es ihm in seinem Testament vermacht.« Sie zog einen Schlüssel aus der Handtasche, stieg die Stufen empor und öffnete die Haustür.
Rob folgte ihr, die Schachtel mit dem Hochzeitskleid unter dem Arm. Im Wohnzimmer sah er sich um: ein Bücherregal, ein gemütliches Ledersofa. Im Kamin prasselte ein Feuer. »Gefällt mir. Passt zu Ian.«
Er hatte Ian sehr gern gehabt, und er war froh, dass das Haus jetzt Josh gehörte. Es bedeutete ihm wohl sehr viel, weil es kein Grab gab, wo er um seinen Freund trauern konnte. In seinem letzten Telegramm hatte er Rob geschrieben, Jake und er stünden sich so nahe und unternähmen so viel gemeinsam, dass Colin auf diese enge Freundschaft eifersüchtig wäre. Er hätte einen Streit mit Jake provoziert, der um ein Haar in eine wüste Prügelei am Strand von Nome ausgeartet wäre, hätte Josh nicht energisch eingegriffen und die beiden auseinandergerissen.
Sissy warf ihren Hut auf das Sofa und kam zu ihm herüber, um ihn zu umarmen. »Ich habe eine Überraschung für dich.«
Er rieb seine Nase an ihrer Wange. »Was ist es?«
Sie kicherte. »Wenn ich’s dir verrate, ist es doch keine Überraschung mehr.« Sie liebkoste ihn auf eine erregende Weise. »Das Abendessen ist bereits vorbereitet. Die Speisen, der Champagner und der Wein stehen im Eisschrank. Bier ist auch da, falls du Lust darauf hast.«
»Hat der Butler heute Abend wieder frei?«
»Ja, tut mir leid.« Ihre Augen funkelten. »Einen Whiskey vor dem Essen?«
»Sehr gern.«
»Ich nehme auch einen. Ohne alles.« Ihr Lächeln war eine Verheißung, und ihm wurde ganz heiß. Das Hochzeitskleid ließ sie auf dem Sofa liegen, als sie nach oben
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