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Im Herzen der Wildnis - Roman

Im Herzen der Wildnis - Roman

Titel: Im Herzen der Wildnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Sanders
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Nachttisch. Es zeigte Tom und ihn vor der Opalmine in Lightning Ridge. Tom hatte seinen Arm um ihn gelegt, als wollte er ihn beschützen. Rob war sieben oder acht, ein kleiner Bengel in zerrissenen Latzhosen. Das Foto zeigte seine Kindheit, ihre Freundschaft, sein ganzes Leben. Sein Dad und er. Unzertrennlich.
    »Er wird immer für dich da sein, Rob. Er hat dich nicht verlassen. In deiner Erinnerung wird er immer bei dir sein.«
    Er nickte stumm, und sie umarmte ihn. Tom hatte recht, sie war so stark, dass er sich an ihre Schulter lehnen konnte, um Halt zu finden. Wie hatte er ihr nur so wehtun können?
    Plötzlich spürte er, wie sie sich in seinen Armen verkrampfte. Sie zuckte zusammen, als hätte sie starke Schmerzen. Er richtete sich auf. »Shannon? Was ist denn?«
    Ihre Augen waren aufgerissen, ihre Hand ruhte auf ihrem Bauch. »Ich glaube …« Sie verzog das Gesicht und atmete gepresst. »Bring mich ins Bett, Rob. Es ist so weit.«
    Unruhig lief Rob auf dem Gang vor ihrem Schlafzimmer auf und ab und lauschte auf Shannons entsetzliche Schreie. Seit Stunden musste sie sich nun schon quälen!
    Mr Mulberry blieb mit einer Tasse und einer Kanne vor ihm stehen. »Tee, Sir?«, fragte er leise.
    Rob schüttelte den Kopf. »Wie spät ist es?«
    »Kurz vor Mitternacht, Sir.«
    Er zog seine stehen gebliebene Uhr auf, und Mr Mulberry ging weiter zu Evander, der angespannt neben Toms Schlafzimmertür saß. Ihre Blicke trafen sich. Sein Freund hatte so viel Angst wie er. Evander hatte ihm vorhin geholfen, Shannon ins Schlafzimmer zu bringen, bevor er erneut Alistair anrief. Der Doktor war schon auf dem Weg. Als er eintraf, übernahm er sofort das Kommando und schickte alle aus dem Zimmer. Seitdem hatte Rob ihn nicht mehr gesehen. Nur seine Stimme konnte er hin und wieder durch die Tür hören.
    Warum dauert die Geburt so lange?, fragte er sich verstört. Wieso quälte sie sich so? Und warum sagte Alistair ihm nicht, was mit ihr los war?
    Mr Portman schenkte Skip einen Kaffee ein. Bei jedem Schrei zuckte er zusammen, als erleide er die Schmerzen seiner Schwester.
    Charlton verließ Toms Räume und schloss leise die Tür hinter sich. Er hatte lange Abschied genommen, fast eine halbe Stunde lang war er mit Tom allein gewesen. Als er Rob im Gang auf und ab laufen sah, kam er zu ihm herüber und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Unvermittelt umarmte Charlton ihn. »Es wird alles gut. Deine Frau ist eine Kämpferin.«
    »Danke, Charlton. Danke, dass du gekommen bist.«
    »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gern bleiben, bis das Kind da ist.«
    »Natürlich, bitte bleib.« Rob deutete auf Skip. »Wenn du lieber im Salon warten willst …«
    »Nein, Rob, ist schon gut, ich bleibe hier. Caitlin hat auf mich geschossen, nicht einer ihrer Jungs.«
    »Wie du meinst.«
    Mr Portman war mit der Kanne und einer Tasse zur Stelle. »Kaffee, Sir?«
    »Sehr gern.« Charlton nahm Toms Butler ohne Umstände die Tasse und die Kanne ab, suchte sich einen Stuhl einige Schritte entfernt und goss sich einen Kaffee ein. Mr Portman bot ihm eine Whiskeyflasche an, die Charlton ihm ebenfalls aus der Hand nahm und neben seinem Stuhl auf den Boden stellte. Er richtete sich offenbar auf eine lange Nacht ein.
    Endlich öffnete sich die Schlafzimmertür, und Alistair erschien im Arztkittel. Um seinen Hals hing ein Stethoskop. »Rob? Ich brauche Sie.«
    Mit drei Schritten war Rob bei Alistair. »Was ist los?«
    Der Doktor wirkte müde. »Rob, es läuft nicht gut.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das Kind liegt verkehrt. Shannon schafft es nicht. Sie hat furchtbare Schmerzen und wird immer schwächer. Sie ist völlig erschöpft. Wir müssen eine Entscheidung treffen.«
    »Eine Entscheidung?«, fragte er schwach.
    »Shannon oder das Kind. Shannon ringt mit dem Tod. Und Ronans Herztöne werden immer schwächer.«
    »O mein Gott!« Das war Skip, der alles gehört hatte. Blass barg er sein Gesicht in beiden Händen.
    Skips Verzweiflung berührte Rob im Innersten. Der Entzug machte Skip zu schaffen, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Der dauerhafte Missbrauch von Opium und Laudanum hatte sein Gehirn geschädigt. Seine Persönlichkeit löste sich langsam auf, wie ein Puzzle, das auseinanderbrach. Stück für Stück verschwanden seine versponnenen Eigenheiten, seine Erinnerungen, seine Hoffnungen, seine Träume, alles, was ihn einmal ausgemacht hatte. Für Shannon war das langsame Fortschreiten von Skips Krankheit sehr beklemmend. Wie oft

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