Im Herzen des Kometen
zugute zu halten. »Sie sollten sich nicht so eselhaft anstellen; wir haben es hier schon so schwer genug.«
Linbarger stand auf und ballte die Fäuste. »Atmen Sie mich nicht an, oder ich…«
»Ach so, es ist mein Mundgeruch? Tut mir leid, ich habe mein Mundwasser zu Hause vergessen.«
»Sie wissen, was ich meine. Die verdammten Krankheitskeime, die Sie mit sich tragen.«
Carl schnaufte geringschätzig. »Die Mikroben sind im Eis, nicht in uns.«
Linbarger ließ die Fäuste sinken; sein Gesicht nahm einen mürrischen Ausdruck an. »Ich bin seit drei Tagen aus dem Kühlfach und habe mich über alles, was geschehen ist, unterrichtet. Sie können mich nicht täuschen. Auf einen toten Percell kommen zwei normale Menschen, die an Krankheiten gestorben sind.«
»So?« Carl hatte von Virginia etwas darüber gehört, aber die Verwirrung und das Übermaß an Arbeit während der letzten beiden Wochen hatten zur Folge gehabt, daß es an ihm vorbeigegangen war. Eine Information unter vielen.
»Ihr Percelle benutzt dies, um die Expedition in die Hand zu bekommen«, erklärte Linbarger, als sei es eine bekannte Tatsache. An anderen Tischen wurde man aufmerksam. Carl bemerkte, daß Lani Nguyen aufstand und mit sorgenvollem Gesicht herüberkam, aber dann legte ihr jemand die Hand auf den Arm und hielt sie zurück.
»Und das glauben Sie?«
»Wir alle glauben es – diejenigen von uns normalen Leuten, die aus den Kühlfächern gekommen sind. Wir wissen es. Sie können mir nichts weismachen.«
»Verschonen Sie mich mit solchem Unsinn!« sagte Carl mit abwehrend erhobenen Händen. Unnötig zu sagen, daß es kein derartiges Komplott gab; wer, zum Teufel, hatte Zeit, über solche Dinge auch nur nachzudenken? Aber wie konnte er Linbarger davon überzeugen?
Carls Blick fiel auf Oberstleutnant Ould-Harrad, der auf der anderen Seite des Zylinders stand, ein Glas in der Hand. Er rief ihm zu.
Der dunkelhäutige Mauretanier kam herüber. Geschickt glich er im Gehen die seitwärts wirkende Corioliskraft aus.
»Vielleicht können Sie diesen Mann aufklären«, sagte Carl zu ihm. »Er geht herum und erzählt, daß wir, die Percelle, uns die Krankheiten zunutze machten…«
»Ich weiß«, sagte Ould-Harrad.
Carl nickte erleichtert. Ould-Harrad war noch nicht lange aus dem Kühlfach. Er war in die Welt der Lebenden und des Dienstes zurückgerufen worden, als Major Lopez innerhalb von Stunden erkrankt und schlafengelegt worden war. Ould-Harrad brauchte nicht den ganzen Tag in den Stollen zu arbeiten; er mußte Zeit gehabt haben, sich über diese politische Stimmungsmache zu informieren. Sollte er diesem Verrückten den Kopf zurechtsetzen.
Aber Ould-Harrad schaute betreten drein, und sein breites Gesicht versuchte dem unwillkommenen Thema zu begegnen, indem es die dicken Brauen abwärtszog und die fleischigen Lippen in einem Ausdruck düsterer Sorge zusammenpreßte. »Ich glaube, Sie sollten beachten, was Linbarger sagt. Er weist auf schwerwiegende Tatsachen hin.«
»Aber er verfälscht sie, macht…«
»Die Quelle ist kaum von Bedeutung. Bedenken Sie die Implikationen!«
Carl war verblüfft. »Was… welche Implikationen?«
»Wir brauchen mehr Schutz gegen die Krankheiten.«
»Ja, gewiß brauchen wir das, aber…«
»Nein. Sie verstehen nicht. Wir brauchen ihn – wir normalen Leute, hauptsächlich.«
»Ah… so soll es also sein?«
Ould-Harrad ließ seinen grimmigen Blick auf Carl ruhen, ohne Linbargers eifriges Nicken zu beachten. »Gott behüte, es ist bereits so! Solange normale Leute nicht das Gefühl haben, daß sie durch Isolation, durch mehr Fürsorge gegen diese Krankheiten geschützt sind, können sie nur ein Ergebnis sehen.«
»Und welches?«
»Daß ihr Percelle über kurz oder lang die gesamte Expedition beherrschen werdet. Es werden nicht genug andere Leute mehr am Leben sein, Sie daran zu hindern.« Der Afrikaner sprach mit einem ruhigen Ernst, frei von Aggression und um so eindrucksvoller, als die Worte von seiner hühnenhaften Gestalt unterstrichen wurden. Er besaß die ruhige Überzeugungskraft jener, deren starke religiöse Überzeugung jede ihrer Aussagen durchdringt.
»Das… das ist nicht unsere Absicht«, erwiderte Carl lahm.
»Einerlei.« Die braunen Augen musterten ihn traurig. »Viele glauben, daß es so geschehen wird.«
»Sehen Sie, ich rief Sie herüber, damit Sie diesen Mann beruhigten, diesen Linbarger. Ich…«
»Es steht Ihresgleichen nicht zu, mir den Mund zu verbieten«, sagte Linbarger
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