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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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selbst regulierende, in Eis versiegelte Ökosphäre, zum Leben erweckt, wenn die Sonnenwärme für kurze Zeit eindrang und die lange Nacht verdrängte… Und vielleicht gab es viele solcher kometären Ökosphären, die aus ferner Finsternis hereinkamen… Er mußte sich das noch genauer durch den Kopf gehen lassen, sollte er je die Zeit dafür erübrigen können…
    »Du meine Güte, wie heiter!« Virginias zärtliche Ironie unterbrach sein Sinnen.
    »Wie? Nein, bloß das übliche sorgenvolle Grübeln.«
    Er setzte sich auf, und in seinem Rücken meldete sich ein dumpfer, unbestimmter Schmerz, selbst in der minimalen Schwere.
    Virginia setzte sich zu ihm auf die schmale Bank, die der einzige Einrichtungsgegenstand im Beobachtungsraum des Kühlfachkomplexes 1 war. Er betrachtete sie im blassen, emaillefarbenen Licht. Sie war schmuck und selbstsicher, von einer gesunden, kraftvollen Ruhe. Die antiseptische Gewißheit des Raumes betäubte seine Sinne, doch sie entschädigte ihn dafür mit ihrer erwärmenden Gegenwart, die Erinnerungen an die feuchtwarme, duftgeschwängerte Luft ihrer Heimat wachrief. Dabei verglich sie sich gern mit ihren Maschinen, strebte nach kühler Sachlichkeit. Wie verkehrt!
    Das ruhige Behagen, mit ihr zu sein, gemahnte ihn an andere Tage, an enge Wohnungen, Gasflammen, die dem Dunkel ihr blaues Licht liehen, an Freunde, die bis spät in die Nacht diskutierten, an Mahlzeiten aus gepfeffertem Fleisch und Röstzwiebeln, an ein alles umschließendes Bewußtsein einer beständigen natürlichen Ordnung…
    Er schnitt den Gedanken ab. Ein allzu vertrautes Heimweh drückte ihm mit weichen Fingern das Herz ab und erzeugte eine bittersüße Pein, wann immer er ihm nachgab, und dies war gewiß nicht die rechte Zeit.
    Virginia kraulte ihm den Nacken und sagte scherzend: »Du siehst wie etwas aus, was die Katze ins Haus geschleppt hat.«
    Er rieb sich die Augen. »Mit bloßen Komplimenten kannst du mir den Kopf nicht verdrehen. Außerdem haben wir keine Katze.«
    »Gut, daß wir die Haustiere nicht gleich aufgetaut haben. Oder würden sie vielleicht immun sein?«
    »Glaube ich nicht. Diese Virusformen haben eine Vorliebe für Lungengewebe. Ich habe den Verdacht, daß einige sich durch die Luft verbreiten.«
    »Also würden die kleinen Lieblinge auch eingehen.«
    »Das ist anzunehmen.«
    Er sagte nichts davon, daß er und Matsudo bereits ein paar Kaninchen und Affen aufgetaut hatten. Sie hatten es tun müssen, um neue Behandlungsmethoden zu erproben. Natürlich hatten die armen liebenswerten Wesen geopfert werden müssen. Er war niemals imstande gewesen, das ohne Schuldgefühle zu tun. Einem empfindenden Menschen konnte es schwer werden, Biologe zu sein.
    Sie blickte durch die transparente Wand hinaus, wo mehrere Gestalten in Schutzanzügen sich mit blassen, wächsernen Körpern abmühten. »Wenn wir bloß die Ausbreitung der Erreger verhindern könnten! Vor allen diese grünen Schleimalgen, die Wände und Decken überziehen – sie machen mich schaudern.«
    »Ich glaube nicht, daß die Algen und Lichenoide die eigentliche Gefahr sind.«
    »Sie breiten sich so rasch aus!«
    »Es gibt so viele Varianten, daß es schwierig ist, sie unter Kontrolle zu halten, selbst mit den Mikrowellen. Aber wir machen Fortschritte.«
    Sie rümpfte die Nase. »Und wie das Zeug riecht…«
    Ein in sich gekehrtes, abwesendes Lächeln faltete seine lederige Haut. »Ästhetische Fragen kommen später in Betracht, wenn überhaupt.«
    »Glaubst du, daß du… nun, schnell genug lernst?«
    »Mein Vater verglich die Bewältigung des Lebens mit einem, der gerade erst angefangen hat, das Violinspiel zu lernen, und schon ein Konzert geben soll.«
    Sie lächelte. »Und alle sehen dabei zu.«
    »Ganz recht.« Er merkte, daß Virginia ihn aufheitern wollte, aber mit einem sonnigen Lächeln allein war es nicht getan. Er war mit seinen Stimmungen vertraut, den unbeständigen Depressionen, die sich in diesen letzten Jahren regelmäßiger eingestellt hatten.
    Nicht, daß es an Gründen gefehlt hätte. Aber seine Selbsterkenntnis, von der er manchmal mehr hatte, als ihm lieb sein konnte, sagte ihm, daß sein Brüten nur Ausflucht war. Seit dem Fall Jerusalems hatte er es weitaus einfacher gefunden, sich Meditationen hinzugeben und oberpriesterlich zu gebärden, als sich rückhaltlos in das Getümmel der Welt zu stürzen und ihren Dornen und scharfen Kanten auszusetzen. Er brauchte noch immer die Sicherheit seiner emotionalen Narben.
    Virginia

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