Im Herzen des Kometen
Datenanordnung zeigte.
»Was hat das eigentlich zu bedeuten? Ist es etwas Besonderes?«
»Ich denke, man könnte es sagen. Es ist die chemische Formel einer Purinbase. Und zwar einer ziemlich einfachen, die als Adenin bezeichnet wird.«
Sie zog ihre geisterhafte Hand zurück. »Nun, ich hoffe, Sie können etwas damit anfangen. Aber wichtig oder nicht, ich glaube bestimmt, wir werden diese Sache noch ein gutes Stück weiterbringen. Ich habe ein Gefühl dafür, wissen Sie.« Sie lächelte ihm strahlend zu. »Bis gleich also! Ende.« Ihr Bild verschwand.
Saul stand eine Weile in gedankenvollem Schweigen. »Ja«, sagte er dann zu der Gegenwart, die sie zurückgelassen zu haben schien. »Ich glaube wirklich, wir werden es noch ein gutes Stück weiterbringen.«
4
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VIRGINIA
Molekulare Stränge wie vielfarbige Treppen… Blitze, die in der Dunkelheit aufleuchten…
Im Maßstab der Simulation war das Molekül wenig mehr als eine aus Standardteilen zusammengesetzte stilisierte Leiter: helle, eingekerbte Splitter von blauer, grüner und roter Farbe, gleichbedeutend mit Phosphaten, Aminosäuren und einfachen Zuckern, die wie schlecht sortierte Teile eines komplizierten Puzzlespiels verbunden waren.
Die Kette schien sich zu drehen und zu winden, als sie in einen Mahlstrom geriet. Ein Netzwerk silbriger Linien markierte elektrische Ströme, die ungleichmäßig durch die salzige Flüssigkeit knisterten. Leuchtend goldene Radikale stießen auf die wachsenden Polymere. Die meisten prallten in kurzen Lichtblitzen wieder ab, doch gelegentlich riß eines ein Bruchstück los und verringerte das Molekül, das nun eine herabhängende, ausgefranste Ecke zeigte. Etwas häufiger fand das kollidierende Teilchen eine Nische von der richtigen Form und Größe und saß fest.
Mit dem Wachstum des Polymers vergrößerte sich der Maßstab der Darstellung, als ob die Kamera zurückgezogen würde. Ein neuer Strang fügte sich zum ersten, dann ein dritter, und verband sich in einem unübersichtlichen, verschlungenen Durcheinander. Der Klumpen fiel auf eine große, ockerfarbene Fläche, die unterhalb lag, eine rostfarbene, von unregelmäßigen Löchern durchsetzte Ebene.
Der molekulare Knäuel verfing sich am Rand einer der schwärzlichen Öffnungen, hielt sich für Augenblicke in der Schwebe, dann fiel er hinein.
»Es ist eine Art Tonerde – etwas wie Montmorillonit, glaube ich. Beachten Sie, wie die Molekülketten sich in das offene Gittermuster einfügen. Nur wenige der Formen, die im offenen Strom entstehen, werden imstande sein, ebenso mühelos einzudringen. Es handelt sich um einen frühen Schritt im langen Prozeß der Selektion, genauso wie es in ferner Urzeit auf der Erde geschehen sein dürfte. Endlich sind die Moleküle gegen das Durcheinander, das Geben und Nehmen der elektrisch aufgeladenen Strömung geschützt. Nur bestimmte Radikale können sie dort erreichen… und die Form der Aushöhlungen richtet die Moleküle aus. Der Aufbau – vorher langsam und chaotisch – beginnt nun Gestalt anzunehmen.
Seltsam, daß es ein Tonmineral ist. Ich hätte eher etwas wie Eisenoxid erwartet. Aber man kann sehen, wie die Peptide tatsächlich das Wachstum neuer Schichtgitter des Tonminerals zu katalysieren scheinen. Es ist erstaunlich.«
Virginia ließ ihn reden, teilte auch bis zu einem gewissen Grad seine Erregung, war aber zu beschäftigt, um zu antworten, solange er keine direkte Frage stellte. Im Augenblick war es Herausforderung genug, all die verschiedenartigen Elemente seines komplizierten Programmes zu integrieren.
Sie war sowieso farbenfrohe Bilder und lebhafte Simulationen gewohnt. Nein, was sie beeindruckte, war die Verwickeltheit dieser Welt der Moleküle und Strömungen, der Elementarteilchen und des über allem waltenden Gleichgewichts. Es war ein Mahlstrom winziger Anziehungskräfte, die in einem mehrdimensionalen Matrizenrahmen durchgerechnet werden mußten, und die Verschiedenartigkeit der Formen verblüffte sie immer wieder aufs neue.
Der holographische Projektionsraum zeigte dabei nur den oberflächlichsten Teil des Ganzen – die durchschnittlichen Probeergebnisse von Johnvons stochastischem Korrektor. Was Virginia beschäftigte, war die dem Modell zugrundeliegende Mathematik. Nur gelegentlich blickte sie auf, um zu sehen, wie die optische Wiedergabe sich entwickelte.
Momentan folgte die Simulation den sich in ihrer neuen Umgebung entwickelnden Molekülen. Sie saßen in Nischen und Winkeln des
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