Im Herzen Des Lichts
Karawanenmeister lachte schallend.
Khamwas blinzelte. Diese plötzliche Belustigung erschreckte ihn nicht weniger als die Wut, die ihr vorausgegangen war. Gefühlsausbrüche eines so gefährlichen Mannes wie der Karawanenmeister waren wie das Erbeben eines Deiches bei Hochwasser.
»Nun«, sagte der Napataner vorsichtig, »vielleicht sieht es bei Tageslicht besser aus. Natürlich hat keiner von uns daran gedacht, etwas zu stehlen! Ich möchte lediglich einen gemeißelten Stein studieren, und Ihr wollt nur das Erbe Eurer Nichte vom Nachlaßverwalter abholen - der anscheinend nicht anwesend ist.«
»Wir wissen nicht, was es ist«, sagte Stern. »Das Geschenk für mich.«
»Ah«, Khamwas wandte sich dem Mädchen zu, sprach aber mehr zu ihrem Oheim. »Das dürfte kein unüberwindliches Problem sein. Wenn wir erst drin sind. « Er deutete mit dem Kopf zur Haustür. »... und dieser Nachlaß sich auch im Haus befindet, müßte es mir gelingen, ihn für dich aufzuspüren.«
»Zeigst du mir, wie?« bettelte Stern und faltete die Händchen gleichermaßen flehend.
»Ah«, murmelte der napatanische Gelehrte aufs neue. »Ich glaube, das hängt davon ab, was dein Oheim dazu sagt, meine Kleine.«
»Der Oheim sagt, daß wir noch nicht im Haus sind«, entgegnete Samlor. »Und er will erst einmal sehen, wie man hineinkommen kann.«
Ohne ein weiteres Wort schritt der Cirdonier zur Ecke des Hauses.
Setios’ Haus hatte einen Abstand von zwei Fuß zum Nachbarhaus. Auch an der Seite befanden sich im Erdgeschoß keine Fenster, aber der erste Stock wurde durch vergitterte Öffnungen belüftet.
Samlor trat in den Zwischenraum, der zu schmal war, daß man ihn irgendwo anders als im Labyrinth Gasse nennen könnte. Er achtete nicht auf seine Gefährten, obwohl sie ihm in Ermangelung einer besseren Richtung folgten.
Die Gitterstäbe des Fensters über ihm waren daumendick und hatten auch kaum mehr Abstand voneinander. Stern hätte vielleicht hindurchlangen können, aber Samlors Hände waren dazu zu groß.
»Ob es bei den Fenstern ähnliche Wächter gibt wie diesen Türhüteraffen?« fragte Samlor den anderen Mann leise. Er deutete nach oben auf die Öffnung.
Khamwas zuckte mit den Schultern in der Dunkelheit, die nur durch einen Streifen bewölkten Himmels über ihnen gemildert wurde. »Nur menschliche Diener, nehme ich an. Sie sind -vertrauenswürdiger. Und nach allem, was ich erfahren konnte, ist Setios ein Sammler auf die Weise, wie ich ein Gelehrter bin. Keiner von uns, müßt Ihr wissen, ist ein Magier mit richtigen Kräften.«
Er hielt kurz inne. »Nicht mit Kräften wie offenbar Eure Nichte, Meister Samlor.«
»Ja«, sagte der Karawanenmeister tonlos. Seine Linke zauste sanft Sterns Haar, aber er blickte nicht zu ihr hinunter. »Und er hat sich einen Dämon in einer Flasche beschafft.« Er schnitt eine Grimasse. »Kehren wir auf die Straße zurück. Ihr wartet, und ich gehe zu dem Burschen auf der anderen Straßenseite.«
»Ah, Samlor.?« begann Khamwas.
»Wartet«, wiederholte der Cirdonier. »Ich gehe über die Straße und spreche mit dem Wachmann.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf die Bauhütte.
»Ja, natürlich«, entgegnete Khamwas mit ausreichend Desinteresse, seinen Ärger kundzutun. »Aber was ich sagen wollte: Setios geht Euch vielleicht gar nicht aus dem Weg. Hier kam es kürzlich zu Schwierigkeiten mit der Magie, müßt Ihr wissen. Das hat ihm vielleicht Angst gemacht, und er ist geflohen.«
Der Napataner lächelte. »In dem Fall hat er bestimmt die Stele zurückgelassen. Wahrscheinlich seine ganze Sammlung - wenn diese Furcht der Grund seiner Flucht war. Und was das Legat dieses Kindes betrifft«, er strich Stern voll Zuneigung über die Wange, »falls wir es hier nicht finden, werde ich euch helfen, es aufzuspüren. Weil Ihr mir geholfen habt. Und weil es mir eine Ehre ist, jemandem zu helfen, der so begabt ist wie Eure Nichte.«
»Der Götter Pläne sind eines«, piepste das Männchen auf seiner Schulter, »die Gedanken der Menschen das andere.«
»Ja, gut«, knurrte der Karawanenmeister und überquerte die Straße mit einem unverkennbaren Selbstvertrauen, das ihn in einer Stadt, in der Männer ohne Begleitung gewöhnlich schlichen, zu etwas Besonderem machte. Der Wachmann wich von seinem Fenster zurück, so daß das Licht sich nicht mehr in seinen Augen spiegelte.
Es kostete fünf rankanische Goldstücke, den nervösen Wachmann auf dem Bauplatz zu überreden, bevor Samlor mit der Schraubenwinde
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