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Im Herzen Des Lichts

Titel: Im Herzen Des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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befand sich in Emaillearbeit auf dem Deckel. Darunter war das Motto geschnitzt: EIN ADLER SCHNAPPT NICHT NACH FLIEGEN.
    Samlors Eltern hatten ihm nie verziehen, daß er riskante Karawanen, die hohen Gewinn einbrachten, leitete wie ein gemeiner Bürger, statt sein Leben als untätiger Edler in Armut zu fristen. Aber sie hatten gut gespeist - von den Fliegen, die er für sie geschnappt hatte, und das Geld, das er erarbeitete, hatte seiner Schwester die Vermählung mit einem rankanischen Edlen ermöglicht.
    Der Deckel ließ sich durch den sanften Druck seines Daumens nicht öffnen. Es war keinerlei Verschluß, kein Schlüsselloch zu sehen, aber das kleine Ding mußte ein Kästchen sein - für einen vollen Elfenbeinblock wog es nicht genug. Samlor legte seinen Dolch auf den Schreibtisch, um die Rechte frei zu haben.
    Und las, was auf einem Stück Pergament stand. Es war der Anfang eines Briefes:
    An Meister Samlor hil Samt,
    Ich hoffe, Ihr seid wohlauf. Auch ich bin wohlauf. Ich sende Euch hierm...
    Es war cirdonische Schrift, und der letzte Buchstabe endete in einem geschwungenen Tintenstrich. Samlors Blick folgte diesem Bogen und sah einen feinen silbernen Federhalter ein paar Fuß entfernt vom Schreibtisch auf dem Mamorboden liegen.
    Der Karawanenmeister stellte die Elfenbeinschatulle ab, behielt jedoch die Waffe in der Hand. Allem Anschein nach wäre Setios vor etwa einer Woche statt mit einer Feder mit einer Klinge in der Hand besser dran gewesen. Unwillkürlich schlang der Cirdonier den linken Arm um Stern, während er sich zu dem Napataner umdrehte. »Khamwas. Das ist wichtig! Ich glaube, ich tat Setios Unrecht, als ich dachte, er hätte sich aus dem Staub gemacht, um mir nicht Rede und Antwort stehen zu müssen.«
    Der andere war so still, daß sich beim Atmen nicht einmal seine Brust bewegte. Einen Moment lang wurde die absolute Stille durch die vagen, langsamen Schatten überspielt, welche die im Gemach kreisenden Kraken warfen. Das Männchen auf Khamwas’ Schulter führte einen eigenartig unbeholfenen Tanz mit steifen Beinen und in die Seiten gestemmten Armen aus.
    »Khamwas!« wiederholte der Karawanenmeister scharf. »Ich glaube, wir sollten sofort von hier verschwinden!«
    Tjainufi piepste: »Sag nicht, >ich werde die Sache in die Hand nehmen<, wenn du es doch nicht tust.«
    Fast gleichzeitig schüttelte sich der Napataner wie ein Taucher nach einem tiefen Sprung und öffnete die Augen. Er stand ein wenig zitternd und stützte sich auf seinen Stab. Schließlich überzog ein strahlendes Lächeln sein Gesicht.
    »Samlor«, rief er und ahnte offenbar nichts von dem, was um ihn geschehen war, während er sich in Trance befunden hatte. »Ich habe sie gefunden - das heißt, wir müssen hinuntergehen.«
    »Wir müssen.«, begann der Karawanenmeister zornig. Tjainufi beobachtete ihn. Die Züge des Männchens waren zu klein, als daß ihr Ausdruck in diesem Licht deutbar gewesen wäre, aber das winzige Geschöpf dachte zweifellos, daß.
    »Hört«, fuhr Samlor fort, sprach jedoch mehr zu Tjainufi denn zu Khamwas. »Das heißt nicht, daß ich weg will von hier, weil wir gefunden haben, was ich suchte, sondern.«
    »Oh!« hauchte Stern. Eine schwache Implosion erfolgte, Luft rauschte, um eine kleine Leere zu füllen. »Es ist nichts drin!«
    Sie hatte die Schatulle geöffnet, wie Samlor sah, als er sich umdrehte. Seine Gefühle waren abgestumpft, und seine Sinne vermittelten ihm erstarrte Bilder seiner Umgebung in größeren Einzelheiten, als er wahrzunehmen vermocht hätte, wenn er nicht bereit gewesen wäre zu töten oder zu fliehen.
    Ein schmales Plättchen auf der Vorderseite der ElfenbeinSchatulle glitt seitwärts und gab ein Schnappschloß frei. Als das Kind darauf gedrückt hatte, war der Deckel aufgesprungen.
    Stern blickte mit enttäuschtem Schmollen zu ihrem Oheim auf. Sie hielt die Schatulle mit beiden Händen, und die Lichtkugel, die dadurch keine Berührung mehr zu ihrem Handteller hatte, schrumpfte und verlor an Leuchtkraft, während ihre Farbe das Spektrum durchwanderte.
    Einen zeitlosen Moment sah Samlor blauweißes Licht durch einen Spalt im Kosmos, wo der Wirbel weißen Haares auf Sterns Köpfchen hätte sein sollen. Es war, als blicke man in das Herz eines Lichtblitzes.
    Und es war nicht da, nicht in dem Gemach, noch im Gesicht seiner Tochter - denn das war Stern, verdammte Samlane -, es war auch kein Nachbild auf Samlors Netzhaut, als er blinzelte. Folgedessen war es nicht wirklich hier gewesen,

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