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Im Herzen Des Lichts

Titel: Im Herzen Des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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zweite S’danzo-Sicht Illyras überlagert? Hatte nicht Dubro eine solche Stütze genau nach ihren Anweisungen angefertigt, und wuchsen die verkrümmten Beinchen nicht bereits gerader, genau wie es ihre Sehergabe ihr gezeigt hatte?
    Illyra hatte für Trevya ein Wunder gewirkt. Sie hatte Trevya Freiheit gegeben und für sich selbst eine unentrinnbare Falle errichtet. Tränen brannten in ihren Augen und tropften auf Dubros Arm. Die junge Frau, die einst eine Mutter gewesen war, hoffte, daß sie ihn nicht aufweckten, und wartete auf das Ende der langen Stunden bis zum Morgen, wenn die Arme sie freigeben würden.
    Diese Nicht-Tochter kostete Dubro und Illyra mehr Zeit und Geld als seinerzeit ihre eigenen Kinder, denn sie behielten Trevya bei sich im Basar, statt sie hinter die Festungsmauern des Aphrodisiahauses zu schicken, wo arbeitende Kaufleute oft ihre geliebten Kinder versorgen ließen. Deshalb mußten sie eine Amme aufnehmen, eine junge Frau, die eine Totgeburt erlitten hatte. Sie wohnte nun bei ihnen, neben Dubros Schmiede. Aber es war nicht genug Platz für sie gewesen, für Trevya und die verlassene Suyan, darum hatten sie ihr Zuhause vergrößern müssen. Und natürlich brauchte Suyan zu essen und Kleidung und Heilmittel, wenn sie krank war.
    Glücklicherweise gab es nun in Freistatt genug Arbeit. Die neue Stadtmauer wurde aus behauenen Steinen errichtet, Ständig mußten Spitzhacken und Hämmer repariert und durch neue ersetzt werden. Dubro hatte einen Gesellen und einen Lehrling anstellen müssen, und er sprach davon, eine größere Esse an der erstehenden Mauer zubauen. Wahrlich konnte man jetzt ein Vermögen machen in Freistatt, aber nichts war umsonst, und Illyra schien es, als schrumpfe ihr erspartes Geld, statt mehr zu werden.
    Sie war nur zur Hafte eine S’danzo, hatte jedoch die volle S’danzogabe des Sehens, nicht aber den Gleichmut der S’danzo, sich auch mit Armut abzufinden. Zur anderen Hälfte war sie Rankanerin durch ihren Vater, deshalb verlangte es sie nach materieller Sicherheit wie alle ordentlichen Bürger des Reiches. Und ihre S’danzo-Sicht vermochte ihre rankanischen Sorgen in dieser Hinsicht nicht zu beruhigen. Selbst ohne Trevya hätte Illyra in diesen Monaten schlecht geschlafen.
    Momentan balancierte sie am Rand zwischen Wachen und Träumen, und ihre Gedanken machten sich selbständig. Trevyas Gesichtchen trieb auf sie zu wie ein Blatt im Wind oder Treibholz in der Flut. Illyra rief ihren inneren Blick zurück, aber er gehorchte nicht und wurde zur vollen S’danzo-Sicht eines Kindes, das mit ausgestreckten Armen durch einen gepflegten Blumengarten rannte und ein Wort vor sich hinträllerte.
    Illyra schrie auf und brach den Bann des Sehens, ohne jedoch ihren Gatten zu wecken, der an ihre nächtlichen Aufschreie gewöhnt war. Die Seherin starrte aus Dubros schützenden Armen in die Dunkelheit empor, entschlossen, wach zu bleiben. Die Vision ließ sich jedoch nicht unterdrücken, sie drängte sich in ihre Gedanken und forderte eine Deutung.
    Diese Deutung war einfach. Wenn Trevya rannte, hieß das, daß ihre Beine gerade und kräftig werden würden. Daß sie durch einen Garten lief, bedeutete, daß sie an einem Ort leben würde, wo Schönheit ein Luxus war, den man sich leisten konnte. Wenn sie beim Laufen trällerte, hieß das, daß sie glücklich war. Und wenn dieses eine Wort Mutter war.
    Aber nein, Illyra weigerte sich, diesen Teil ihres Sehens zu akzeptieren - obwohl er ihr hätte sagen können, daß ihr die materielle Sicherheit bestimmt war, die sie sich so ersehnte. Illyra zog die Einsamkeit ihrer Sorgen vor und hüllte sich eng in ihre Dunkelheit, bis das erste Grau des Morgens durch die Schlitze der Fensterläden fiel.
    Dubro rührte sich und gab sie dabei frei. Er war die Seele von Routine und Regelmäßigkeit. Jeden Tag, Sommer wie Winter, stand der Schmied beim ersten Licht des neuen Tages auf und hatte sein Schmiedefeuer bereit, wenn die Sonne über den Horizont lugte. Gewöhnlich genügte der Anblick seiner breiten Schultern, wenn sie unter dem abgetragenen Lederkittel verschwanden, Illyras nachtgeborene Zweifel zu vertreiben. Doch heute war es anders. Auch erzählte sie ihm nichts von ihren Visionen. Sie blieb im Bett, bis Suyan das Baby an die Brust genommen hatte, und selbst dann noch schlüpfte Illyra wie in Trance in ihre leuchtend bunten Kleider.
    »Ihr fühlt Euch nicht gut?« erkundigte sich Suyan ehrlich besorgt.
    Illyra schüttelte den Kopf und schnürte

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