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Im Herzen Des Lichts

Titel: Im Herzen Des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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das rosa Mieder noch enger um den Busen. Die Stimme der Amme klang heute morgen etwas rauh, und Illyra war entschlossen, sie zu ignorieren.
    »Die Kleine hat nur einmal heute nacht geweint, doch zur falschen Zeit, das genügte, daß Ihr nicht mehr einschlafen konntet?«
    Alles war bei ihr eine Frage, die eine Antwort brauchte - nein, forderte. Aber diesmal würde es nicht funktionieren.
    »Es sind Kräuter übrig von Masha zil-Ineel. Sie könnten aufgebrüht werden?«
    »Es geht mir gut, Suyan«, sagte Illyra schließlich. »Ich habe fest geschlafen. Das Baby hat mich nicht gestört. Du hast mich nicht gestört. Und ich brauche keine Kräuter - nur.« Sie holte Atem und fragte sich, was sie brauchte. »Ich werde heute in die Oberstadt gehen. Was ich brauche, ist ein bißchen Abwechslung.«
    Suyan nickte. Sie kannte ihre Herrin nicht gut genug, um zu spüren, wie wenig Illyra eine Abwechslung brauchte. Und selbst wenn, hätte sie sich nicht anders verhalten.
    Illyra ließ ihre Tiegelchen mit Augenschwarz und Rouge unbeachtet. Sie bürstete ihr Haar und steckte es zu einem dicken Knoten auf, dann schlang sie ein verhüllendes, unauffälliges Tuch um die Schultern. Man würde sie bestimmt für keine modebewußte Dame halten, aber auch nicht für eine S’danzo.
    »Ihr werdet Frühstück mögen?« fragte Suyan aus der Ecke. Ihr Ton klang mütterlich und rügend.
    »Nein, kein Frühstück.« Illyra blickte der anderen jungen Frau jetzt zum erstenmal in die Augen und sah ihre Verletzlichkeit und Selbstzweifel. »Mich gelüstet nach Haakons kleinen Kuchenstücken. Ich werde mir unterwegs ein paar kaufen.«
    Die großen Augen des Mädchens glänzten verständnisvoll. »Ja, Gelüste...«
    Illyra ertappte sich dabei, daß sie die Hand zu einem Abwehrzeichen ballte. Suyan sehnte sich ebenfalls nach Sicherheit, und Sicherheit für eine Amme ist die Schwangerschaft ihrer Herrin. Nicht ein Tag verging, daß nicht irgendwie in diesen rhythmischen Fragen das Thema von Illyras gegenwärtiger Unfruchtbarkeit zur Sprache kam. Als Illyra sich zwang, sich zu entspannen, überwältigte sie die Ungerechtigkeit von allem. Sie wußte, wenn sie auch nur einen Augenblick länger bliebe, bräche sie in Tränen aus, und das würde alles nur noch schlimmer machen.
    »Ich gehe jetzt«, murmelte sie, und ihre Stimme klang fast so elend, wie sie sich fühlte.
    Dubro wies den neuen Lehrling in die feineren Künste der Betätigung des Blasebalgs ein. Seine Stimme war tief und eintönig, weil er sich bemühte, die Geduld nicht zu verlieren. Es hätte jetzt keinen Sinn, ihn zu unterbrechen. So zog Illyra ihr Schultertuch als Schutz vor dem eisigen Hafenwind fester um sich und hoffte, sich davonstehlen zu können.
    »Madame - Madame Illyra! Seherin!«
    Illyra wich gegen die Wand zurück, sie konnte nicht so tun, als hätte sie die junge Frau weder gesehen noch gehört, die durch die Markttagmenschenmenge auf sie zurannte.
    »Oh, wartet, Seherin Illyra. Bitte wartet!«
    Und Illyra tat es, während die Frau Atem holte und ihr eine schmutzige alte Kupfermünze in die Hand drückte.
    »Helft mir, bitte! Ich muß ihn finden! Überall habe ich schon gesucht. Ihr seid meine letzte Hoffnung. Ihr müßt mir helfen.«
    Illyra nickte und kehrte die paar Schritte in den Vorraum zurück, wo sie ihre Karten und alles andere hatte, was sie für ihr S’danzo-Gewerbe benötigte. Sie konnte sich nicht weigern - doch nicht wegen der Münze, wie die Suvesh gewöhnlich annahmen. Nicht Bezahlung war es, was die Sicht herbeibeschwor, sondern die Berührung der Haut des Kunden. Schon jetzt wurde sie schwindelig durch die Erscheinung einer anderen Realität. Es könnte sich als gefährlich erweisen, wenn sie versuchte, die Sicht zu unterdrücken.
    Sie schob die Karten über den Tisch, nachdem sie sich auf ihren Hocker hatte fallen lassen. »Ihr müßt drei Häufchen machen«, befahl sie. Die Karten zu mischen blieb keine Zeit mehr.
    Die Hand der Besucherin zitterte, als sie das Päckchen teilte. »Findet meinen Jinny, bevor es zu spät ist!«
    Illyra unterdrückte das Gefühl, daß es bereits zu spät war, dann gab sie sich ganz den entstehenden Bildern hin. Die Luftlanze, die Schiffsieben, die Erzfünf umgedreht - der Wirbelwind, die Kriegsflotte und der Eiserne Schlüssel verwandelten sich zu einem Schloß. Das Schloß hielt eine Kette, und die Kette wuchs aus dem Bauch eines schlingernden Schiffes. Es war keine Anker-, sondern eine Galeerenkette vom Schiffsboden zum

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