Im Herzen Rein
geben.«
Der Fahrstuhl hielt, und die Tür öffnete sich leise zischend. »Gegen trockene Kälte habe ich nichts«, sagte Paula. Sie nickte der Schwester zu und ging über das glänzende Linoleum zur Station.
Als sie das Krankenzimmer betrat, packte Chris gerade ihre Sachen. Dabei fiel Paula das schwarze Wickelkleid ein, das sie auf Heiligers Party getragen hatte und das Marius in ihrer Wohnung nicht finden konnte. »Wo ist eigentlich dein Kleid von der Party?«, fragte sie.
»Ich habe es gleich bei Frau Heincken unten im Haus abgegeben; sie arbeitet in einer Reinigung. Das ist herrlich bequem. Warum fragst du?«
»Als du dich überhaupt nicht gemeldet hast und Marius auch dein Kleid nicht finden konnte, dachten wir, du wärst nach der Party gar nicht zu Hause angekommen.«
»Meine Sachen für die Reinigung hänge ich immer gleich an Frau Heinckens Tür. Ich habe extra zwei Beutel dafür.«
Paula lachte. »Da hat Marius nicht nachgeschaut.«
Sie nahm den Koffer. Chris’ Bein mit der Brandwunde vom Flammenwerfer war verbunden und tat ihr noch weh.
Im Auto fragte sie Chris, wo es hingehen solle.
»Zu mir nach Hause, wohin sonst?«
»Es hätte ja sein können, dass du dich in einen der Ärzte verliebt hast.«
»In einen Chirurgen?«
»Es muss ja nicht gerade ein Chirurg sein.«
»Ein Psychiater vielleicht?«
»Auf gar keinen Fall, aber vielleicht ein Homöopath.«
»Damit ich mich auf homöopathische Dosen einstelle?« Sie lachten. Das tat gut nach allem, was geschehen war.
Chris drehte das Radio an und fragte, wie es Ralf gehe.
»Ich habe ihn heute Morgen zum Zug gebracht. - Übrigens hat mir ein Journalist gesteckt, dass Heiliger heute eine Pressekonferenz gibt. Vielleicht möchtest du dir das ansehen?«
Chris zögerte. »Ach nee. Ich weiß nicht.« Sie dachte nach.
»Aber vielleicht wäre es doch gut. Dann könnte ich sehen, wie ich jetzt nach allem auf seinen Anblick reagiere. Ja, doch, lass uns hinfahren.«
Paula war unsicher, ob es wirklich so eine gute Idee war. Vielleicht sollte die Freundin doch lieber erst einmal Abstand gewinnen, sich eine Woche Urlaub nehmen und zu ihren Eltern oder irgendwo anders hinfahren. Aber Chris blieb dabei.
Paula fuhr Richtung Alt Moabit .
»Wo fährst du denn hin?«, fragte Chris verwundert.
»Heiliger gibt nicht einfach irgendeine Presseerklärung. Er inszeniert seine Entlassung aus dem Gefängnis.«
»Aber er ist doch schon vor Tagen entlassen worden.«
»Deswegen sage ich ja: Er inszeniert sie.«
»Unglaublich.«
Vor dem Ausgang der Strafvollzugsanstalt nach Alt Moabit, gegenüber der Spenerstraße, war ein Auflauf von Journalisten, Fotografen und Kamerateams. Polizisten sorgten dafür, dass der Verkehr weiterlaufen konnte. Alle starrten auf das hellgraue Schleusentor. Die Medienleute drängelten sich bis in den Vorhof, zwischen dem Tor der Anstalt und dem hohen Gitterzaun, der um das Gelände des Strafvollzugs lief.
Paula parkte um die Ecke auf dem Bürgersteig und klemmte ihr Kriposchild hinter die Windschutzscheibe. Als sie sich unter die Journalisten mischten, glitten die beiden Hälften des Schleusentors auseinander, und Heiliger erschien im schwarzen Anzug mit weißem Oberhemd. Er stand im Blitzlichtgewitter: ein Liebling der Medien. Er schindete Eindruck, indem er sich betont zurückhaltend gab. Er kündigte an, dass er sich erst einmal zurückziehen werde, um seine Installation The Blue Dress zu Ende zu bringen. Jetzt könne ihm nur die Arbeit helfen, mit der Trauer um seine Freundin zurechtzukommen.
»Ist es richtig, dass Frau Hartmann von Ihnen schwanger war?«
Heiliger bestätigte das. »Meine Installation The Blue Dress sollte zur Geburt meines Kindes fertiggestellt sein«, sagte er - und fügte hinzu: »Es war diese Arbeit, die mich zum Opfer der Justiz gemacht hat.«
Ein Journalist wollte wissen, ob er nicht mit schuld daran sei, dass er in Verdacht geraten war.
Heiliger wurde wütend. »Ich habe in dieser depravierenden Zelle gesessen, habe herabwürdigende Verhöre über mich ergehen lassen müssen, wurde der Welt als Bestie vorgestellt, und Sie kommen und reden von Mitschuld?! Vielleicht ist es Ihnen entgangen: Der Killer hat mit der Behörde, die mich hinter Schloss und Riegel brachte, zusammengearbeitet.«
Paula fragte Chris, ob sie noch weiter zuhören möchte.
Sie war blass. »Nein, lass uns gehen.«
Als sie sich abwandten, hörten sie Heiliger laut rufen:
»Selbsthass ist eine wichtige Quelle, um als Künstler
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