Im Heu oder im Bett
warum wusste Lauren dann nicht, wer Jems Vater war?
Obwohl er am liebsten sofort aufgesprungen wäre, um Doug anzurufen, überlegte er sich genau, was jetzt ein Trost sein könnte. „Ich wünschte, ich könnte irgendetwas tun, um dir zu helfen”, erwiderte er schließlich und merkte, dass er es wirklich so meinte, obwohl er ja eigentlich das Problem war.
Sie strich ihm über die Wange. Es war eine simple Geste, die trotzdem die Luft zwischen ihnen elektrisch aufzuladen schien. In Laurens Augen blitzte Dankbarkeit auf, und diesmal fühlte er sich so schuldig, dass ihm das Herz wehtat. „Danke, Cole. Es bedeutet mir viel, dass du mir helfen würdest, wenn du es könntest.”
Er nickte nur. Schließlich ließ er sie widerstrebend los und beobachtete, wie sie sich gegen die Wand des Baumhauses lehnte. „Okay, Rapunzel”, sagte er so mit so viel Leichtigkeit, wie er aufzubringen vermochte, „bist du bereit, von deinem Turm herunterzusteigen?”
Ihre verweinten Augen leuchteten kurz auf. „Warum nennst du mich so?”
Er lächelte. „Wie Rapunzel schienst du hier oben sehr allein zu sein.”
„Nun bin ich nicht mehr allein”, erwiderte sie mit einem Lächeln. „Aber ich würde gern noch ein bisschen hier oben bleiben. Wenn du möchtest, kannst du das auch gern tun.”
Es gab nichts, was er in diesem Moment lieber täte, als bei ihr zu bleiben und sie zum Lächeln zu bringen. Aber er wusste, dass seine Selbstkontrolle mit jedem Blick in ihre Augen brüchiger werden würde. „Ich sollte mich wieder an die Arbeit machen.” Er zwinkerte ihr zu.
„Mein Boss ist ein richtiger Sklaventreiber.”
Sie lächelte, als er hinunterkletterte und zur Scheune ging.
Dafür werde ich dir den Hals umdrehen, mein Freund, dachte Cole.
Einige Stunden später saß Lauren mit sorgenvollem Gesicht neben Cole. Er parkte ihren Jeep vor Jems Vorschulcamp.
„Danke, dass du gefahren bist.” Sie machte sich ungeduldig an dem Türgriff zu schaffen.
„Wenn der Betreuer mir einfach gesagt hätte, was passiert ist, wäre ich nicht so nervös. Das schwöre ich.”
„Sei unbesorgt.” Cole drückte auf den Knopf, der die Türen entriegelte. „Wir werden es in Ordnung bringen.”
Eilig gingen sie zum Büro der Campleitung. Cole hatte darauf bestanden, sie zu fahren, als er gesehen hatte, wie sie aus dem Haus gerannt war. Nach dem Anruf des Betreuers hatten ihre Hände so gezittert, dass sie kaum den Schlüssel ins Schloss stecken konnte.
In dem Moment, als sie das Büro betraten, sprang Jem auf und raste auf seine Mutter zu.
Sie sah, dass er geweint hatte. Sein Kinn war mit einer Mullbinde bedeckt. Als sie ihn in den Armen hielt, flössen wieder die Tränen.
„Was ist passiert?” fragte Lauren den Betreuer, während sie ihrem schluchzenden Sohn beruhigend übers Haar strich.
„Nun”, antwortete der Mann nervös, „die Jungs haben mit Holzstöcken Fechten gespielt.
Und obwohl die anderen Jungs älter waren, wollte Jem mitspielen.” Er seufzte hörbar. „Er hat sich gut gehalten, bis er von einem Jungen ziemlich heftig am Kinn getroffen wurde.”
Voller Sorge hielt sie ihren Sohn ganz leicht von sich weg und streckte die Hand nach dem verbundenen Kinn aus, aber Jem zuckte sofort zusammen.
Cole kam zu ihnen und lächelte Jem an. „Das ist deine erste Kampfwunde, hm?”
Jem schniefte mit gesenktem Blick und nickte.
„Bei meiner ersten Kampfwunde war ich auch etwa in deinem Alter”, sagte Cole. „Genau hier.” Er zeigte auf die dünne Narbe auf seinem Kinn, und Lauren erinnerte sich, dass sie einige Nächte zuvor mit den Fingerspitzen genau diese Stelle berührt hatte.
Der Junge betrachtete Coles Narbe. Ernsthaft fragte er: „Was ist bei dir passiert?”
„Nun, es war nicht annähernd so aufregend wie bei dir. Ich habe mit einem meiner Brüder gespielt, und er hat mich auf eine Kommode katapultiert.”
Jem dachte nach. „Was ist ein Katapult?” fragte er.
„Das werden wir dir später erklären, Schatz”, meinte Lauren. „Erst einmal fahren wir in die Notfall-Klinik, damit Dr. Linblade zur Sicherheit noch einen Blick auf dich wirft. Lass uns gehen.”
Was für ein Tag! seufzte Lauren innerlich. Zum Glück war Cole bei ihr gewesen und hatte einen kühlen Kopf behalten. Er hatte sie wirklich gerettet Und sie hatte bislang nie zugelassen, dass ihr ein Mann in schwierigen Situationen beigestanden hatte, registrierte sie, als sie sich umdrehte, um ihm einen überraschten Blick zuzuwerfen. Und nun hatte sie
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