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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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es in der Natur der Sache liegt – niemandem aufgefallen.«
    Der Personalchef nahm einen Bleistift und spielte nervös damit herum. »Davon hat mir niemand was erzählt«, merkte er an.
    »Ach nein?« Gänger stützte sich auf das Fensterbrett und wiegte sich leicht hin und her. »Überrascht mich kein bißchen. Das gehört nämlich garantiert nicht zu den Dingen, über die Sie etwas herausfinden sollen. Da man jedenfalls zu der Ansicht gelangte, diese schier unerträglichen Zustände durch keine wie auch immer geartete Maßnahme verschlimmern zu können, kam man zu der Meinung, man sollte einen Versuch starten und den gesamten Arbeitsprozeß in die Hände von außenstehenden Vertragspartnern legen. Den Zuschlag hat schließlich meine Gruppe erhalten, und seitdem … Nun, darüber können Sie sich ja selbst ein Urteil bilden.«
    Es trat eine Stille ein, in der man bequem laut bis sieben hätte zählen können – und genuschelt sogar bis zehn. »Dann sind Sie gar nicht …«
    »Qualifiziert?« Gänger lachte. »O doch, wir sind alle qualifiziert. Sterblich bin ich nicht, falls Sie das gedacht haben sollten.«
    »Aber wenn Sie nicht sterblich sind, dann müssen Sie …« Die Stimme des Personalchefs wurde wie das letzte aus einem zugedrehten Schlauch tröpfelnde Wasser Silbe für Silbe leiser, bis sie nicht mehr zu hören war. Gänger schüttelte den Hinterkopf.
    »Nicht unbedingt«, antwortete er. »Das ist ein weitverbreitetes Mißverständnis. Die meisten von uns sind zwar von den vorherigen Systemen übriggeblieben, aber …«
    »Vorherige Systeme?«
    »Ahnenkult«, erläuterte Gänger. »Klassische Mythologie. Odin und Thor. In der Buchhaltung arbeitet ein Kerl, der früher Osiris gewesen ist – nein, ich glaube, Anubis. Egal. Jedenfalls ist das ein äußerst merkwürdiger Typ, obwohl es in seiner Branche wirklich von Vorteil ist, einen Schakalkopf zu haben. Ich selbst komme allerdings von der Philosophie her.«
    »Philosophie?«
    »Ganz genau«, bestätigte Gänger mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Ich bin die Verkörperung eines abstrakten Begriffs. Ein Kind des deutschen Neonihilismus des späten neunzehnten Jahrhunderts. Einer von Nietzsches Übermenschen, könnte man fast sagen.« Kurz lachte er über seinen eigenen Witz. »Entschuldigen Sie, ich weiche etwas vom Thema ab, nicht wahr? Was ich sagen wollte: In unserer Abteilung haben wir ein paar Mitarbeiter, die ursprünglich sterblich waren.«
    Der Personalchef versuchte, ein passendes Wort oder wenigstens einen geeigneten Laut zu finden, aber da war nichts. Statt dessen hörte man im Raum das Geräusch eines herunterklappenden Unterkiefers.
    »Ja, manchmal habe ich auf andere diese Wirkung«, pflichtete ihm Gänger bei. »Auf der Straße habe ich vorhin eine junge Frau fast zu Tode erschreckt. Über die möchte ich mich übrigens nachher noch mit Ihnen unterhalten.«
    »Sie setzen Sterbliche ein? Im Behördendienst?«
    »Ehemalige Sterbliche«, korrigierte ihn Gänger freundlich. »Es gibt natürlich Grenzen. Aber innerhalb dieser Grenzen …«
    »So was können Sie doch nicht einfach machen!« rief der Personalchef, der seine Wut nur mit Mühe unter Kontrolle halten konnte. »Das ist ja unerhört! Das verstößt gegen die Vorschriften! Das ist … das ist …«
    »Böse?« Gänger kicherte. »Na ja, das wollten Sie doch gerade sagen, oder?«
    »Würden Sie freundlicherweise damit aufhören, meine Gedanken zu lesen?« brüllte der Personalchef. »Mit denen leben zu müssen, ist für mich schon schlimm genug, ohne daß da auch noch Fremde ihre dreckigen Nasen reinstecken.« Er riß sich zusammen. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Aber könnten Sie bitte vorläufig vielleicht …?«
    Es trat eine Pause ein. »Könnte ich vielleicht was?« hakte Gänger nach.
    »Danke«, seufzte der Personalchef erleichtert. »Könnten Sie vielleicht einfach warten, bis ich meinen Gedanken ausgesprochen habe, anstatt selber nachzusehen? Erstens einmal gehört sich das nicht. Das ist nämlich dasselbe, als würde man den Schluß eines Buches zuerst lesen. Und zweitens bin ich dadurch im Nachteil.«
    »Das stimmt nicht ganz«, widersprach Gänger. »Schließlich kann ich nur das lesen, was da ist, nicht wahr? Und außerdem handelt es sich nicht um Telepathie, sondern bloß um …«
    »Scharfblick, ich weiß, das haben Sie mir schon erzählt.«
    »Na, jetzt haben Sie es ja kapiert.«
    »Ach, halten Sie die Klappe.« Der Personalchef griff erneut nach dem

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