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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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VI. gewählt hatte – doch wie weitere Nachforschungen ergaben, war er nicht mehr als ein entfernter Vetter des rechtmäßigen Thronfolgers. Es war die Entdeckung der wahren Identität des nächsten lebenden Verwandten Karls des Großen, die die ganze Kette von Ereignissen in Gang setzte; denn diesmal sollte sich alles ein wenig anders gestalten. Schließlich müssen selbst zeitlich begrenzte Maßnahmen irgendwann ein Ende finden.
    Wer Roccos Nachfolger sein würde, stand längst fest; doch dieses Mal mußte vorher eine kleine Berufsausbildung durchgeführt werden, da die nächste Herrschaft die entscheidende sein sollte …
     
    Inzwischen werden Sie erraten haben, wie Jane aussieht – daß sie die gerade Nase, das energische Kinn, die ausgeprägten hohen Wangenknochen hat, die von hundert Herrscherporträts bekannt sind. Und Ihnen braucht nicht gesagt zu werden, daß ihr Nachname, der Name, der in ihrem Paß steht, Habsburg lautet.
     
    »Oh«, staunte Jane. »Na so was.«
     
    Die Welt, die stehengeblieben war, setzte sich wieder in Bewegung.
    Das Sich-in-Bewegung-Setzen deutet einen Anfang an. Möglicherweise ist das nur ein billiger sprachlicher Trick, aber wir werden den Satz wiederholen, um die wahre Bedeutung auf uns einwirken zu lassen. Die Welt setzte sich wieder in Bewegung.
    Natürlich bemerkte das keiner – bis auf ein paar Börsenmakler in New York, denen plötzlich bewußt wurde, daß sie drei Minuten vor dem gewaltigsten Aufschwung, den der Aktienmarkt je erleben sollte, alles verkauft hatten. Als die Kurse ihren Höhenflug beendeten, hilflos umherschwankten und dann ganz einfach zu existieren aufhörten, hatten sie bereits allesamt Rücktrittsschreiben an ihre Stühle geheftet, waren nach Wisconsin abgereist, um als Korbmacher neu anzufangen, und erfuhren deshalb nie, wie richtig sie eigentlich gelegen hatten.
    ›Sich in Bewegung setzen‹ deutet einen Anfang an. Innerhalb von zehn Minuten war alles ganz anders. Die Sonne zog ihre unausweichliche Bahn. Das Gras wuchs. Regen fiel. Die Zeit verging, die Schwerkraft zog, die Geschichte gerann, Ebbe und Flut stiegen und fielen, Männer und Frauen stolperten und tappten durch den verdunkelten Porzellanladen der menschlichen Existenz. Niemand bemerkte den taufrischen Zettel an der Wand von Platons Höhle, auf dem der letzte, der die Höhle verließ, darum gebeten wurde, das Licht auszumachen; aber das lag wohl eher daran, daß er schon immer dort gehangen hatte.
    Anders gegenüber früher war jetzt, daß alles von selbst geschah. Niemand lenkte es. Es … passierte einfach.
    »Hey«, sagte Gänger in Janes Hinterkopf, »das können Sie nicht machen. Hören Sie sofort damit auf!«
    Wieso kann ich das nicht machen? Ich bin doch die Herrscherin, oder etwa nicht? Ich kann tun und lassen, was ich will.
    Als die Finger an der Schutzhülle des Unterbewußtseins, an die er sich verzweifelt klammerte, allmählich den Halt verloren, heulte Gänger auf. »Aber das wird nicht funktionieren!« schrie er. »Es muß jemanden geben, der die Dinge lenkt, sonst funktionieren sie nicht. Von selbst regeln die sich nämlich nicht.«
    Ach, wirklich? Das werden wir ja bald sehen.
    Was Gänger eigentlich sagen wollte, war: »Wenn Sie Sonne, Mond, Erde, Regen, Wind, Zeit und alle diese Dinge mit so einer Art eingeschränktem Empfindungsvermögen versehen, wird das Ganze vielleicht eine Zeitlang funktionieren, aber wer soll das alles denn überwachen, instand setzen und alles wieder in Gang bringen, wenn es anfängt schiefzulaufen? Vermutlich werden Sie jetzt antworten, Sie übernehmen das, aber Sie sind sterblich, Sie werden nicht ewig vor Ort sein, und deshalb werden Sie einen Nachfolger ausbilden müssen, und das wird nicht leicht werden, das können Sie mir glauben, ganz bestimmt.« Aber da es unmöglich ist, überhaupt etwas zu sagen, wenn man plötzlich nicht mehr existiert, kam er nur bis: »We …«
    Was der Personalchef, die Mitglieder des Wahlausschusses und die übrigen Beteiligten dazu sagten, ist nicht überliefert, und das ist wahrscheinlich gut so; es wird sich wohl kaum um etwas Nettes gehandelt haben.
    Und dann verschwand mit einem Seufzen, das wie das Ausschalten von hundert Millionen Computermonitoren klang, das große Heer der himmlischen Beamten, Funktionäre, Verwaltungsbeamten, Planungskräfte, Programmierer und Opportunisten in der Luft, aus der es ursprünglich gekommen war; und nach ihm die Büros, Schreibtische, Akten, Hardware, Software und die

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