Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
eben nachzuschauen?«
»Na ja, so einfach vielleicht nicht. Ich weiß aber, dass das Gebäude auch nachts geöffnet ist.«
»Das hat Lorenzo auch erzählt«, sage ich. »Und wie soll ich dir helfen?«
»Du könntest Schmiere stehen.«
Na super, genau darauf habe ich gewartet! In Gedanken sehe ich schon ein himmlisches Polizeiauto auf mich zufahren. Und dann muss meine Mutter mich wieder abholen – aus dem Himmel! Bei der Vorstellung muss ich kichern.
»Und wenn wir erwischt werden?«
»Werden wir nicht!« Gabriel klingt wirklich überzeugend, fast so gut wie Ben damals.
»Das sagst du jetzt nur so.«
»Dafür stehe ich Schmiere, wenn du dir noch einen Film im Archiv anschauen willst. Zu mir hat Ruby nämlich nicht gesagt, dass ich mich umdrehen soll.«
»Was? Kennst du etwa sein Passwort?«, rufe ich überrascht aus.
»Ja, ich habe ganz genau aufgepasst, was er eingetippt hat. Das Passwort heißt Mopsi . Seinen vollständigen Namen und den Geburtstag haben wir ja beide gesehen. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass er mich absichtlich hat zuschauen lassen. Er hat ganz sicher nichts dagegen, wenn du dir noch einen Film ansiehst. – Was ist denn nun, kommst du mit?«
»Ja, ich zieh mich nur schnell an.« Liane hat Ruby angerufen und mir ausrichten lassen, ich dürfe mir was zum Schlafen aus ihrem Schrank nehmen. Davon habe ich Gebrauch gemacht. Aber in dem Seidennegligé möchte ich jetzt ungern durch die Straßen laufen – und darin erwischt werden schon gar nicht.
Als ich aus dem Bett springe, sagt Gabriel: »Ich glaube, das mit der Traumfrau überleg ich mir noch mal« und mustert mich ungeniert von oben bis unten.
»Dreh dich sofort um!«
Kurze Zeit später sind wir mitten in der Nacht auf himmlischen Straßen unterwegs. Ruby ist nicht wach geworden, davon haben wir uns mit einem kurzen Blick in sein Zimmer vergewissert. Er schläft tief und fest. Und den Mops hat Gabriel auch ganz schnell beruhigt – bevor er anfangen konnte zu bellen. Tiere hat er anscheinend gut im Griff.
»Komisch, dass es im Nebenhimmel Tag und Nacht gibt. Es wäre doch viel praktischer, wenn es immer hell wäre und man hier oben überhaupt keinen Schlaf mehr bräuchte«, sage ich.
»Ist ja witzig, dass du das auch denkst. Darüber habe ich vorhin schon mit Ruby gesprochen. Er meint, viele Engel hätten Depressionen von dem ewig gleichen hellen Licht bekommen. Also hat der Himmelsboss wieder die Tageszeiten eingeführt. Es wundert mich nur, dass man weder Sonne noch Mond sieht. Das fehlt mir irgendwie.«
»Stimmt.« Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Es gibt tatsächlich keinen Mond und keine Sterne. Die Nacht sieht aus wie die milchige, weiße Suppe des Tages, nur eben in Schwarz.
»Ein Schwarzes Loch, das aus sich selbst heraus leuchtet«, sinniere ich leise vor mich hin. Denn immerhin können wir alles erkennen, obwohl weit und breit keine Lichtquelle auszumachen ist.
»Wie bitte?«
»Schon gut. Guck mal, wir sind da.«
Das barock anmutende, majestätische Gebäude liegt plötzlich vor uns. Heute Morgen ist mir gar nicht aufgefallen, wie schön und beeindruckend es ist. Irgendwie hemmt mich das in meinem Vorsatz, dort rumzuspionieren. Da greift Gabriel nach meiner Hand.
»Danke, dass du mitgekommen bist. Alleine hätte ich mich nicht getraut.«
Damit hat Gabriel genau die richtigen Worte gewählt, um mich von meinen Zweifeln zu befreien. So ganz sicher bin ich mir mit Ruby nämlich nicht. Auf der anderen Seite hat Lorenzo auch schon mal hier spioniert. Und im Himmel hat alles seinen Sinn, sagt Liane zumindest immer.
»Über wen möchtest du dich denn eigentlich informieren?«, frage ich.
»Über Muriel. Sie ist meine Mitbewohnerin. Ich fühl mich in ihrer Nähe einfach nur gut. Und was ist mit dir? Soll ich für dich auch was nachschauen?«
Ich überlege kurz. »Nein, lieber nicht im Moment.« Die Sache mit Georg hat mir verdammt wehgetan. Ich habe erst einmal genug von Männern.
Meine Oma hat immer gesagt, dass es gerade die kleinen Tragödien sind, die den Menschen ausmachen. Sie prägen unseren Charakter – und sie machen uns stärker. Liebeskummer gehört eindeutig dazu. Ich werde über Georg hinwegkommen und mich irgendwann neu verlieben. Und ich möchte dann unbelastet und unvoreingenommen an die Sache rangehen.
»Okay. Komm …« Gabriel öffnet die schwere Tür, die mit einem leisen Knarren aufgeht.
Dann schleichen wir durch die hohen Gänge des altertümlichen Gebäudes. Es ist hier drin
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