Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
jedoch, in dem ich unten auf der Erde in Neuss wohne, hat sich hier oben gewaltig verändert.
Lorenzo steht auf der Terrasse, die er an meine Küche gebaut hat und von der aus man einen direkten Zugang in den Garten hat.
» Buon giorno !«, ruft er uns fröhlich entgegen.
Ich erkenne Lorenzo sofort. Er sieht genauso aus wie auf dem Foto, das Hilde mir gezeigt hat. Dass ich die Gelegenheit bekomme, ihren verstorbenen Mann zu treffen, rührt mich zu Tränen. Verstohlen wische ich sie weg.
»Schön, dass du hier bist.« Lorenzo zieht mich in seine Arme. »Ich freue mich so, dass ich dich kennenlernen darf.«
Ich erwidere gerührt die Umarmung und sage: »So eine Terrasse hätte ich in meinem irdischen Garten auch gerne.«
»Dann solltest du mal mit deinem Vermieter reden«, sagt Lorenzo.
»Ach, der soll erst einmal vernünftige Heizungen einbauen!« Ich erzähle Lorenzo, wie Hilde mich und meine Wohnung vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Auch dass sie mir mit dem Garten hilft und ich ohne sie ordentlich aufgeschmissen wäre, berichte ich Lorenzo.
»Meine Hilde, die Gute! Ich bin so froh, dass du dich um sie kümmerst! Möchtest du sehen, was ich hier aus unserem Garten gemacht habe?«
»Natürlich!«
Der Apfelbaum hängt voll mit prallen Äpfeln, und die Blüten des Holunderbusches haben sich in kleine, saftige Beeren verwandelt. Der Rasen ist nicht nur gleichmäßig gestutzt, das dichte Gras leuchtet auch in einem saftigen Grün. Fast wirkt es wie ein Teppich. Und es fühlt sich auch ähnlich weich an, bemerke ich, als wir auf das Gewächshaus zugehen. Irgendwie scheint es größer zu sein als mein Glasatelier. Überhaupt wirkt der Garten, wie wenn er unendlich gewachsen wäre. Es gibt keinen Zaun, der die Fläche begrenzt. Dort, wo bei mir die kleinen Johannisbeersträucher wachsen, stehen bei Lorenzo große Bäume und Pflanzen, die ich so noch nie zuvor gesehen habe.
Neugierig gehe ich auf einen Baum zu, an dem grüne, herzförmige Früchte hängen. Sie sehen beinahe aus wie rundliche, genoppte Tannenzapfen.
»Ist das eine himmlische Neuzüchtung?«, frage ich und deute auf eine der Früchte.
»Nein, das ist ein Zimtapfel. Der wächst auch auf der Erde. Aber nur in tropischen und subtropischen Gebieten. Ich habe ihn während eines Asienurlaubs mit Hilde kennengelernt und nie den wundervollen, süßlichen Geschmack vergessen. Möchtest du mal probieren?«, fragt Lorenzo, pflückt eine Frucht und bricht sie entzwei. »Man isst das weiße Fruchtfleisch.«
»Schmeckt wie Erdbeereis mit Schlagsahne«, stelle ich verzückt fest. »Und die anderen Früchte?«
»Mango und Papaya kennst du bestimmt. Ich kann dir aber auch noch Schlangenfrucht, Jackfrucht und andere Sorten zeigen.« Während Ruby sich dezent im Hintergrund hält, deutet Lorenzo voller Freude auf verschiedene Bäume.
Hildes große Liebe ist nicht sehr groß und von der Statur her eher drahtig. Viele Haare hat er nicht mehr auf dem Kopf, und die wenigen, die er noch besitzt, sind grau und sehr kurz rasiert. Ein bisschen erinnert er mich an den netten italienischen Eisverkäufer aus meiner Kindheit. An heißen Sommertagen kam Pino jeden Tag mit seinem Eiswagen in unsere Siedlung gebraust und versorgte uns Kinder mit den leckersten Eiskreationen. Sein Himbeereis war der Hit!
»Man müsste mal versuchen, Eis aus den Zimtäpfeln zu machen«, sage ich.
»Ist schon passiert. Möchtest du probieren?«
Nur wenige Augenblicke später sitzen wir auf der gemütlichen Terrasse und löffeln schweigend das leckere Eis. Alles ist still, nur ab und an hört man eine Biene summen oder einen Vogel zwitschern.
»Was meinst du, Lorenzo, soll ich Hilde erzählen, dass ich dich im Himmel getroffen habe? Und wird sie mir das überhaupt glauben?«, frage ich.
»Ja, das wird sie. Spätestens, wenn du ihr erzählst, wo sie ihren Ehering wiederfinden kann.«
»Woher weißt du das? Wir haben den ganzen Garten umgepflügt, ihn aber nicht gefunden. Hilde war sehr unglücklich deswegen. Und sie spielt andauernd mit dem Daumen an ihrem Finger herum, weil sie sich immer noch nicht daran gewöhnt hat, dass der Ring weg ist. Sie hat den ganzen Garten auf den Kopf gestellt. Und ich gleich noch mal, nachdem sie mir davon erzählt hat.«
»Er ist nicht im Garten, denn Hilde hat den Ring ausnahmsweise vor der Gartenarbeit ausgezogen. Das macht sie sonst nie, deswegen hat sie es bestimmt vergessen. Sie hat ihn auf die kleine Kommode in der Diele gelegt. Und dann ist der Ring
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