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Im hohen Gras

Im hohen Gras

Titel: Im hohen Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S King
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Mädchen. Sie hat gesagt, dass sie sich verirrt hat. Deshalb sind wir hier drin. So läuft das eben.« Er hielt inne. »Mein Dad hat Ihre Schwester umgebracht, jede Wette.«
    »Woher weißt du, dass sie meine Schwester ist?«
    »Der Fels«, sagte er nur. »Der Fels bringt einem bei, wie man das Gras hören kann, und das hohe Gras weiß alles.«
    »Dann weißt du bestimmt auch, ob sie tot ist oder nicht.«
    »Ich könnte es rausfinden«, sagte Tobin. »Nein. Noch besser, ich kann’s Ihnen zeigen. Sollen wir nachsehen? Wir gucken einfach, wie’s ihr geht, okay? Kommen Sie. Immer mir nach.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich der Junge um und stapfte in das Gras hinein. Cal ließ die tote Krähe fallen und hastete ihm hinterher – er wollte ihn nicht eine Sekunde aus den Augen verlieren. Sonst würde er noch bis in alle Ewigkeit hier umherirren, ohne ihn je wiederzufinden. Ich bin auch nicht sauer, hatte er gesagt, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Er war sogar richtig sauer! Zwar wiederum nicht so, dass er den Jungen hätte umbringen können, das natürlich nicht (glaubte er jedenfalls), aber er würde die kleine Judasziege auch nicht entwischen lassen.
    Doch dann wandte er nur einmal kurz den Blick ab, weil über dem Gras der aufgedunsene, orange Mond aufging. Sieht aus, als wäre er schwanger, dachte er, und plötzlich war Tobin verschwunden. Cal zwang seine müden Beine weiterzumachen, schob sich durch das Gras und holte tief Luft, um nach dem Jungen zu rufen. Dann war mit einem Mal das Gras weg. Er befand sich auf einer Lichtung – einer richtigen Lichtung, nicht nur einem Kreis aus niedergetrampelten Halmen. In der Mitte ragte ein gewaltiger, schwarzer Fels aus dem Boden. Er war etwa so groß wie ein Pick-up und über und über mit kleinen tanzenden Strichmännchen bemalt. Sie waren weiß und schienen zu schweben. Ja, sie schienen sich tatsächlich zu bewegen!
    Tobin stand daneben, streckte eine Hand aus und berührte den Stein. Der Junge erschauerte – nicht aus Angst, dachte Cal, sondern voller Wonne. »Mann, fühlt sich das toll an! Kommen Sie schon, Cal. Probieren Sie’s auch mal.« Er winkte ihm.
    Cal lief auf den Fels zu.

    Eine Weile lang war eine Autoalarmanlage zu hören, dann nichts mehr. Becky nahm das Geräusch wahr, aber ihr Gehirn stellte keinen Zusammenhang her. Sie kroch auf allen vieren. Sie kroch, ohne nachzudenken. Jedes Mal wenn sie wieder einen Krampf bekam, hielt sie inne, die Stirn im Schlamm und den Hintern in die Luft gereckt wie eine Gläubige, die Allah die Ehre bezeigte. Wenn der Krampf nachließ, kroch sie wieder ein Stück weiter. Die von Schlamm triefenden Haare klebten ihr im Gesicht. Ihre Beine waren nass von dem, was aus ihr herauslief. Sie spürte, wie es aus ihr herauslief, dachte jedoch nicht mehr darüber nach als über die Autoalarmanlage. Während sie weiterkroch, leckte sie Wassertropfen vom Gras. Sie drehte einfach den Kopf zur Seite und ließ die Zunge hervorschnellen, schlapp-schlapp, alles ohne nachzudenken.
    Der Mond ging auf, groß und orange. Sie hob den Kopf, weil sie zu ihm hochschauen wollte, und genau in dem Moment wurde sie von einem Krampf heimgesucht, der alles Bisherige übertraf. Und dieses Mal ließ er auch nicht nach. Sie drehte sich auf den Rücken und schob die Shorts samt Schlüpfer nach unten. Beide waren ganz dunkel vor Nässe. Ein einziger klarer und zusammenhängender Gedanke regte sich und schoss ihr wie ein Wetterleuchten durch den Kopf: das Baby!
    Mit nacktem Unterleib lag sie rücklings im Gras, die Beine gespreizt, die Hände zwischen den Oberschenkeln. Irgendein Rotz quoll ihr zwischen den Fingern hervor, gefolgt von einem lähmenden Krampf. Plötzlich spürte sie etwas Rundes, Hartes. Einen Schädel. Er passte wunderbar in ihre gewölbte Hand. Das war Justine (falls es ein Mädchen war) oder Brady (falls es ein Junge war). Sie hatte alle angelogen, dass sie sich noch nicht entschieden hätte; dabei war sie sich von Anfang an darüber im Klaren gewesen, dass sie das Kind behalten würde.
    Sie wollte schreien, brachte aber nur einen geflüsterten Hauch zustande. Der Mond sah sie wie ein blutunterlaufenes Drachenauge an. Sie drückte, so fest sie konnte. Dabei machte sie den Bauch so steif wie ein Brett und presste den Hintern in den matschigen Boden. Etwas riss. Etwas glitt aus ihr heraus. Ihr in die Hände. Plötzlich war sie da unten wie leer, nichts als leer. Wenigstens waren ihre Hände voll.
    Sie hob das Neugeborene ins

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