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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Gesamtheit, welche der menschliche Organismus darstellt, verdeckt oder aus dem ärztlichen Sichtfeld entfernt. Nicht immer ergibt sich daraus für den Patienten nur Gutes.
    Wie man weiß, ist das Internet nicht nur ein vervielfältigtes und erweitertes Kommunikationsmittel, sondern gewissermaßen ein informationstechnologischer Sauger, dessen unzählige Verzweigungen sich in verschiedenen Datenbanken befinden können. In diesem Sinne ist die Zerteilung des Organismuszustandes für einen Mediziner möglich, der bereit ist, einer statistisch interpretierten Riesenmenge routinemäßiger Zusatzuntersuchungen zu trauen, und vielleicht wird sie eine Konkurrenz für den Arzt schaffen. Wie amerikanische Untersuchungen bewiesen haben, kann eine Diagnose, die mittels einer vielseitigen Prüfung der Daten über den Patienten gestellt wird, die im Internet gespeichert sind, bereits mit der Diagnose und Therapieindikation von Medizinprofessoren konkurrieren.
    Das Internet kann demnach, wenn es richtig angewandt und gebraucht wird, besonders einen angehenden Arzt unterstützen. Es kann aber auch irreführen, weil die Eigenschaft, mit der sich die Medizin in der Blütezeit der ärztlichen Individualitäten rühmte, nämlich die Intuition, die ihre Erkennungsmacht bei einem direkten Kontakt mit dem Kranken offenbarte und die ein fast unübertragbares Wissen und Können darstellt, durch das Netz nicht transferiert werden kann. Jene Unmittelbarkeit des Bildes eines Kranken mit seiner Persönlichkeit, seinem Charakter, mit einer Vielzahl von schwer beschreibbaren Einzelheiten der Krankheitssituation, die einem wenig erfahrenen Arzt einfach entschlüpfen können, werden über eine längere Zeit und möglicherweise auch immer, für die InternetDiagnostik und -Therapie unerreichbar bleiben.
    Wenn es um eine gute Analyse der diagnostischen Untersuchungen, z.B. der Elektrokardiogramme geht, können die Datenbanken, die übers Internet zugänglich sind, einem schlecht auf diesem Gebiet orientierten Spezialisten behilflich sein. Es kommt jedoch auch vor, dass die Feststellungen, die sich nur auf elektrokardiographische Daten stützen, keine perfekte Aufklärungskraft haben. Heute kommen hier solche Hilfsmittel hinzu wie Tomographie, Ultrasonographie, 24-Stunden-Holter-Aufzeichnungen, PositronenemissionsTomographie und schließlich die Molekularbiologie, die neue Untersuchungstypen für physiologische und pathologische Phänomene anwendet. Obwohl wir es dank der neuesten Technologien sowohl mit anamnestischen wie auch mit diagnostischen Einzelheiten zu tun haben, die zusätzliche Informationen eröffnen, sollten wir uns bewusst werden, dass ein Fortschritt im Gesundheitswesen stattfindet, der u.a. in der Tendenz sichtbar ist, die Medizin als Kunst zu liquidieren und an diese Stelle die Ausführlichkeit der schon fast algorithmischen Analysen einzuführen.
    Das ganze Bild ist als ein Teil des Prozesses anzuerkennen, der in hohem Maße den Kampf mit der Krankheit vervollkommnet und die Lebensdauer erhöht, aber gleichzeitig scheint der kranke Mensch dadurch in eine immer größere Zahl nicht immer und nicht unbedingt kompatibler Sachverhalte zerlegt zu werden, weil dort, wo wir sehr viele Ergebnisse haben, die nur statistisch erfassbare Faktoren berücksichtigen, diese Ergebnisse miteinander kollidieren können. Aus diesem Grund ist es nicht einfach zu beurteilen, ob die Internetnachweise und -hilfen nur Segen oder auch labyrinthartige Komplikationen für die Medizin darstellen bzw. darstellen werden. Der gleiche Prozess hat übrigens die Apotheker - als Meister der Komposition von heilsamen chemischen Substanzen -in Verkäufer von fast immer fertigen Präparaten umgewandelt.
    Charakteristischer Indikator der Beschleunigung im allgemeinärztlichen Bereich kann die Tatsache sein, dass die erst vor einigen Jahren herausgegebenen pharmakologischen Kompendien gleichzeitig durch Ströme neuartiger Arzneimittel ergänzt werden, die von großen Pharmakonzernen auf den Markt gebracht werden, während gleichzeitig jedes Jahr aus neueren Ausgaben dieser Kompendien eine Reihe von Präparaten verschwindet, weil sie gefährliche Nebenwirkungen haben oder weil sie aus der Mode gekommen sind, da auch die Medizin der Wechselhaftigkeit der Mode unterstellt ist.
    Unlängst entdeckten Amerikaner mit der bei ihnen beliebten Statistik, dass zwei Millionen Personen, die mit von den Ärzten vorgeschriebenen Arzneimitteln behandelt wurden, aufgrund der Nebenwirkungen

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