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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ihre Arbeit zusätzlich zu erschweren, die eine “künstliche Intelligenz” konstruieren möchten. In bisher praktizierten Testversuchen - die den “Turing-Test” in seiner klassischen Gestalt auf Probe stellen sollten, d.h. in der ein Mensch, der mit einem anderen sich unterhält, feststellen soll, ob er mit einem Menschen oder mit einer “nichtlebendigen Imitation” (sagen wir, um die Sache zu vereinfachen, mit einem Computer) spricht -, lässt sich die ganze Konversation auf das Schreiben oder eher auf das Tippen von Fragen oder Antworten auf die Tastatur eines Geräts zurückführen. Der Computer ist dabei mit dem
    Rechner des anderen verbunden ist, der den Gesprächspartner gleichfalls nicht sehen kann, weil auch er seine Texte auf der Tastatur tippt. Diese typische Art von Versuchen erdrücken im Keim die Frage, ob in dem geführten Gespräch auch Emotionen zur Geltung kommen. Man könnte allerdings im Text, der vollständig von der Anwesenheit des lebendigen Gesprächspartners abgeschnitten ist, durch Modulationen das Zufließen oder Abfließen von Emotionen imitieren, die gar nicht wirklich vorhanden sind.
    Dieser Aspekt wurde jedenfalls immer unangenehmer für die praktischen und theoretischen Befürworter der “Artificial Intelligence”. Dabei geht es zuerst darum, was solche Affekte, Emotionen oder Gefühle sind, die wir als positive, negative oder ambivalente Gemütszustände empfinden. Sie treten nicht nur im Wachzustand auf, da es in der Regel auch im Schlaf emotionale Vorgänge gibt. Ich werde aber auf die Traumsphäre hier nicht eingehen, weil es im Traum oft passiert, dass die darin erlebten Emotionen der “normalen” Zuordnung zu den Ereignissen, die im Wachzustand stattgefunden hätten, nicht entsprechen. Gleichwohl hat dies auch eine gewisse Bedeutung für das Problem der Möglichkeit der Simulation von Emotionen, weil manchmal - im Traum oder beispielsweise nach Einnahme einer Droge -Wahrnehmungen mit Affekten auftreten, die für den “normalen Wachzustand” nicht “normal” sind. Das bedeutet, dass sich die Emotionen von den erlebten “Geschichten” lösen können und das Leben, das sich aus Wahrnehmungen zusammensetzt, dass etwas so und so ist, sowie das Leben, das auf dem Strom der emotionalen Zustände gründet, auseinander treten.
    Im Normalfall sind beide miteinander verknüpft und sogar stark miteinander verbunden. Es ist ganz normal, sich auf ein Treffen mit einem lange nicht gesehenen Freund zu freuen. Es ist ganz normal, bei einer Nachricht über ein Unglück oder über den Tod eines Bekannten Trauer zu empfinden. Es ist ganz normal, laut aufzulachen, wenn wir sehen, dass sich jemand auf eine Pfanne voll Rühreier mit Tomaten setzt. Und es ist ganz normal, Angst zu empfinden, die in Panik übergeht, wenn das Bremspedal im Auto, mit dem wir gerade fahren, statt das Fahrzeug zu bremsen, ohne Widerstand versinkt, und unser Vehikel gegen ein anderes oder in das Meer rast. Abgesehen davon wissen wir über die Besonderheit der Zeichen, die emotionale Zustände charakterisieren, nicht viel. Wir wissen beispielsweise, dass der Mensch in Gesellschaft viel leichter lacht, wenn andere auch lachen. Deswegen werden in Filmen für “Trottelzuschauer”, die nicht richtig begreifen, wann man lachen soll und wann nicht, zur “richtigen” Zeit während der auf dem Bildschirm dargestellten Handlung Lachausbrüche wiedergegeben. (Allerdings wird nicht jeder dieser “Lachanweisungen” auch befolgt: ich z.B. meide sie im Fernsehen, da ich mich lieber nicht in den Kreis der Personen einschließen lasse, die nicht wissen, ob und wann man lachen soll. Aber das war nur eine Abschweifung vom Thema.)
    Aus Untersuchungen, die in letzter Zeit durchgeführt wurden, geht hervor, dass Menschen Gefühle, die vor allem durch Mimik, aber auch durch Körpersprache ausgedrückt werden, oft nur vortäuschen. Das kann sich aus dem Savoir-vivre ergeben. So bemühen wir uns, keinen Ärger zu zeigen, wenn wir die furchtbar langweilige alte Tante sehen, die wir gerade gestern übers Telefon belogen haben, dass wir heute für längere Zeit verreisen. Wir werden hingegen so tun, als würde uns die Begegnung “freuen”. Das professionelle Simulieren der Gefühle, die von Schauspielern und
    Schauspielerinnen gespielt werden, stellt eine gewöhnliche und in diesem Beruf notwendige Fähigkeit dar. (Gegenwärtig sind erotische Kussszenen “modisch”, die mit beidseitigem Öffnen des Mundes beginnen, als ob man

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