Im Informationszeitalter
unbedingt eventuelle Essensreste und Bakterien aus den Zähnen und dem Hals der geküssten Person herauslecken wollte. Dieser Gebrauch erleichtert jedoch das “Abspielen” von leidenschaftlichen Küssen, weil man lediglich den geöffneten Mund auf den anderen Mund “montieren” muss. Auch das war natürlich wieder nur eine Nebenbemerkung.) Die Skala an Gefühlen, die durch den Gesichtsausdruck signalisiert werden, ist unermesslich reich. Übrigens beschränkt sich die “faziale Signalisierung” nicht ausschließlich auf das Gesicht. Jeder normaler Mensch, der durch das Telefon spricht, obwohl er seinen Gesprächspartner auf der anderen Seite nicht sieht, bewegt unwillkürlich seinen Körper und seine Hand so, dass er eine vor allem emotional sinnvolle Gesprächsbegleitung schafft.
Die Fähigkeit, die erwünschten situationsbedingten (z.B. durch die Familientradition, durch das Savoir-vivre usw.) Gefühle zu simulieren, ist den Menschen in sehr unterschiedlichem Maß gegeben. Einige können die nicht erlebten Gefühle ausgezeichnet und andere schlechter “spielen”. Ich z.B. kann schlecht “spielen”, und es fällt mir sehr schwer, einen ungebetenen Gast, vor allem wenn er mich bei der Arbeit stört, mit einem herzlichen Lächeln willkommen zu heißen. Untersuchungen, die mit einem “Polygraphen”, also einem Lügendetektor, durchgeführt werden, wobei man parallel auf gleichzeitig laufenden Papierbändern den Blutdruck, den Puls oder den elektrischen Hautwiderstand misst, der vom Feuchtigkeitsgrad abhängig ist, was offenbart, ob der Untersuchte mehr oder weniger schwitzt, werden zwar auch in der
Kriminalistik eingesetzt, aber sie geben keine sichere Diagnose, ob der Untersuchte die Wahrheit sagt oder lügt. Einerseits gibt es völlig unschuldige Neurotiker, die sehr stark auf heikle Fragen reagieren, obwohl sie mit der laufenden Ermittlung nichts zu tun haben, und andererseits gibt es Massenmörder und Vergewaltiger, die bei dieser Untersuchung eine völlig nüchterne und neutrale Gleichgültigkeit zeigen.
Wenn wir dem noch besondere, vor allem kreative Fähigkeiten hinzufügen, bei denen nicht nur wie bei den guten Schauspielern die jeweils erlebten geistigen Zustände mit der affektiven Hauptkomponente verbunden werden und in ihren Höhen und Tiefen aufwallen, wenn wir also zur Menge der guten Schauspieler noch die Menge der Künstler, der kreativen Wissenschaftler, der besessenen Fanatiker oder der Demiurgen hinzufügen, zeigt sich erst wirklich unsere völlige Ratlosigkeit gegenüber den Aufgaben, die sich die fleißigen Befürworter der Künstlichen Intelligenz stellen: Wie kann man einen Computerintellektuellen, sofern sich ein solcher konstruieren lässt, mit Programmen des emotionalen Reagierens ausstatten? Vor allem beginnt das Problem meistens damit: Um eine Emotion zu erleben, muss man begreifen, dass man sie zu erleben hat …
Das ist kein einfacher Circulus in explicando, weil keiner vor einer Löwenhaut, die mit Heu ausgestopft ist, Angst haben, der weiß, dass es kein lebendiger sondern ein ausgestopfter Löwe ist. Aber leider ist das sehr schwierig, da sogar Deep Blue, der Kasparov Schachmatt gesetzt hat, nicht einmal wusste, dass er Schach gespielt und die Partie gewonnen hat. Emotionen gab es nur bei einer Partei (Kasparov). Aus der Lektüre, aus Bekenntnissen, aus Erinnerungen und last but not least aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es kaum möglich ist, in Depression zu sinken, irgendeine Art Kummer zu haben oder sich verloren zu fühlen und gleichzeitig humorvoll zu schreiben. Positive Emotionen sind jedoch nicht dasselbe wie ein Sporn für ein Pferd oder Doping für einen Athleten: derjenige, der, wie man sagt, vor Lachen platzt, ist nicht besonders dazu prädestiniert, eine tolle Humoreske zu schreiben.
Das ganze Malheur der Computer liegt darin, dass ihnen alles absolut “egal” ist. Alle Computer des amerikanischen Weltraumshuttles Challenger, das gleich nach dem Start durch eine Explosion zerstört wurde (es gibt ein Buch darüber von Richard Feynman), wussten, verstanden und dachten in der Zeit, als der Rumpf mit der ganzen Mannschaft in den Ozean fiel, nichts, während sich die Astronauten, wie man weiß, in den letzten Sekunden auf den Tod vorbereiteten und die diesen Sturz begleitenden Gefühle empfanden.
Nein, man weiß nicht, was machen muss, damit der Computer emotional gestimmte Erlebnisse haben würde, wobei in der letzten Zeit immer mehr Stimmen laut
Weitere Kostenlose Bücher