Im Informationszeitalter
dieser Arzneimittel ernsthaft erkrankt und sogar 106.000 der behandelten Patienten infolge dieser Nebeneffekte gestorben sind! Die Globalisierung der Kommunikationsnetze und die Vervielfältigung der sich inhaltlich verändernden Datenbanken können solchen bedrückenden Phänomenen nicht entgegenwirken, weil diese ganze Domäne von Statistik geleitet wird. Metaphorisch gesagt, könnte man das Lenins Spruch “wer wen” in den Bereich der Gesundheitspflege übertragen, indem man die Frage stellt, ob das sich medizinisch erweiternde Internet die Ärzte nur unterstützen oder aber aus diesem Beruf, der traditionell immer von Menschen ausgeübt wurde, verdrängen wird.
Das Internet stellt ein Kind der Technologie, in diesem Fall der Biotechnologie dar, das zu einem Riesen heranwächst. Die Ambivalenz jeder Technologie, die zusammen mit neuem Wohl auch neues Übel bringt, ist jedoch unbestritten. Spezialisten vermuten, dass wir Träger von Genen sind, deren schädliche Auswirkung sich erst im fortgeschrittenen Alter offenbaren kann; und deswegen kommen diese Gene, die zumindest zum Teil Effekte von Mutationen bergen und der natürlichen Selektion nicht mehr unterworfen sind, weil ihre Wirkung erst nach Fruchtbarkeit einsetzt, im Zuge der Verlängerung des individuellen Lebens als Verursacher von uns noch nicht bekannten, also auch nicht behandelbaren Unpässlichkeiten und Unwohlgefühle zum Vorschein. Das Internet, das von uns derzeit noch gesteuert und sich in Zukunft möglicherweise selbst programmieren wird, wird sich sicherlich mit neuen Sorgen und Beschwerden des menschlichen Daseins befassen müssen.
In Zusammenfassung und Ergänzung all dessen, was bisher gesagt worden ist, denke ich, wobei ich mich nicht auf gesichertes Wissen, sondern auf subjektive Vermutung stütze, dass das Internet als System der Kommunikation mit den Datenbanken, das vor allem statistisch wertvoll ist, sich leichter an die Bedürfnisse der Diagnose für die Systeme anpassen lässt, die genau beschrieben werden können, also der mechanischen Geräte wie Flugzeuge, Autos oder Computer, als für den Bereich, mit dem sich die Medizin seit
Jahrhunderten beschäftigt, d.h. mit den
Unpässlichkeiten des menschlichen Körpers.
Es scheint mir eher unwahrscheinlich, dass diese Gesamtheit des Wissens, das sich der durch alle zusätzlichen Untersuchungen gestützte Arzt aneignen kann, durch mechanische und algorithmische
Prozeduren aus den Netzressourcen ersetzt werden könnte. Das trifft vor allem auf seltene und extreme Fälle zu, weil am Einfachsten das erkannt wird, was im Hinblick auf die Häufigkeit des Vorkommens am Charakteristischsten ist. Seltenere Fälle werden aus der Ferne nicht erkannt. Mit einem Wort: Man kann vom Internet eine diagnostische oder therapeutische
Fehlerlosigkeit kaum erwarten.
Die Grenze der Entwicklung würde ein Zustand darstellen, bei dem die von uns geschaffenen technologischen Mittel und Leistungen eine fast selbständige Umwelt bilden werden, die bei der Behandlung von Deviationen und Erkrankungen hilfreicher als der menschliche Geist sein wird. Bisher weist nichts darauf hin, dass die globale Internetisierung, also die Vernetzung der Ressourcen des gesammelten medizinischen Wissens die unter dem Hippokrates-Eid arbeitenden Menschen übertrumpfen wird, weil in der Heilkunde letztendlich emotionale und auch ethische Faktoren eine erhebliche Rolle spielen. Sogar die vollkommensten Technologien der Kommunikation werden kaum imstande sein, diese zu ersetzen.
Emotional Quotient
Stanislaw Lem 24.05.2000
Warum Gefühle für die Künstliche Intelligenz bestenfalls noch weit entfernt sind
Die in Sciencefictionfilmen normalerweise auftretenden Roboter können zwar sprechen, aber in der Regel wird ihre Stimme nicht wie die unsere affektiv moduliert. Im allgemeinen sprechen sie mit einer “hölzernen Stimme” - mit Ausnahme von “Androiden”, also sehr menschenähnlichen “Pseudorobotern”, wie Mr. Spock in der Serie Star Trek.
Diese affektlos ausgesprochenen Worte stellen, dem Anschein zum Trotz, keinen “Trick” des Regisseurs dar, der den Zuschauern die Unterscheidung zwischen dem Menschen und den ihn nachahmenden Golemmaschinen erleichtern soll. Es geht darum, dass wir außer dem intellektuell artikulierten Leben ein emotional bedingtes Leben haben. Und gerade in den letzten Jahren begann dieses “emotionale Leben” allen denjenigen
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