Im Innern des Wals
Schriftsteller is t ein Symptom der Befreiung. Indem sie die
»Reine Kunst« über Bord werfen, haben sie sich selber von der Furcht befreit, lächerlich zu erscheinen, und damit ihre Ziele wesentlich erweitert. Die prophetische Seite des Marxismus ist zum Beispiel ein neuer Stoff für die Poesie und hat große
Möglichkeiten:
We are nothing. We have fallen
Into the dark and shall be destroyed. Think though, that in this
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darkness We hold the secret hub of an idea Whose living sunlit wheel revolves in future years outside.
[Wir sind nichts. Wir sind ins Dunkel gefallen und werden
zerstört werden. Denk aber, daß wir in dieser Dunkelheit den heimlichen Hebel einer Idee in Händen halten, deren lebendiges, sonnenleuchtendes Rad sich in künftigen Jahren draußen drehen wird. Spender, Trial of a Judge]
Zur gleichen Zeit jedoch hatte sich die Literatur dadurch, daß sie marxistisch wurde, keineswegs den Massen genähert. Selbst wenn man etwas Verzögerung in Rechnung stellt, waren Auden und Spender sogar weniger populär als Joyce und Eliot, von Lawrence ganz zu schweigen. Wie zuvor gab es zahlreiche
zeitgenössische Schriftsteller, die abseits der Strömung standen, aber was das für eine Strömung war, daran kann es kaum einen Zweifel geben. Mitte und Ende der dreißiger Jahre waren Auden und Spender & Co. die »Bewegung« wie Joyce, Eliot & Co. in den zwanziger Jahren. Und die Bewegung bewegt sich auf eine ziemlich schlecht definierte Angelegenheit namens
Kommunismus zu. Bereits 1934 oder 1935 wurde es in
literarischen Kreisen als exzentrisch angesehen, wenn jemand nicht mehr oder weniger »links« stand. Und ein oder zwei Jahre später hatte sich bereits eine linke Orthodoxie entwickelt, durch die bestimmte Ansichten über bestimmte Sujets absolut
unumgänglich gemacht wurden. Die Idee hatte an Boden
gewonnen (siehe Edward Upward und andere), daß ein
Schriftsteller entweder ein »linker« Aktivist sein oder schlecht schreiben müsse. Zwischen 1935 und 1939 übte die
Kommunistische Partei eine fast unwiderstehliche
Anziehungskraft auf alle Schriftsteller unter vierzig aus. Jeden Tag konnte man hören, daß Soundso »eingetreten« sei, so wie es wenige Jahre vorher, als der Katholizismus in Mode war, zu hören war, daß Soundso »aufgenommen« worden war. Etwa
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drei Jahre lang stand tatsächlich ein großer Teil der englischen Literatur unter kommunistischer Kontrolle. Wie konnte es dazu kommen? Und zugleich, was ist unter »Kommunismus« zu
verstehen? Besser, man beantwortet die zweite Frage zuerst.
Die kommunistische Bewegung in Westeuropa begann als
eine Bewegung zum gewaltsamen Umsturz des Kapitalismus
und entartete innerhalb weniger Jahre zu einem Instrument der russischen Außenpolitik. Vermutlich war das unvermeidlich, nachdem der revolutionäre Aufschwung, der auf den Weltkrieg gefolgt war, in sich zusammengefallen war. Soviel ich weiß, ist die einzige umfassende Geschichte der Bewegung in England
Franz Borkenaus Buch: Die kommunistische Internationale.
Was sich aus Borkenaus Tatsachenmaterial sogar klarer ergibt als aus seinen Schlußfolgerungen, ist, daß der Kommunismus sich niemals zu dem hätte entwickeln können, was er heute ist, wenn in den Industrieländern des Westens eine wirklich
revolutionäre Situation bestanden hätte. Für England liegt es auf der Hand, daß sie die ganzen letzten Jahre nicht bestanden hat.
Die lächerlichen Mitgliederzahlen sämtlicher extremistischer Parteien zeigen dies klar. Es ist deshalb nur natürlich, daß die englische kommunistische Bewegung von Leuten gelenkt
wurde, die geistig von Rußland abhängig waren und kein
wirkliches Ziel besaßen, außer die britische Außenpolitik im Interesse Rußlands zu beeinflussen. Natürlich kann ein solches Ziel nicht offen zugegeben werden, und das verleiht der
kommunistischen Partei ihren ganz besonderen Charakter. Ein kommunistischer Redner ist praktisch ein russischer
Propagandist, der sich als internationaler Sozialist ausgibt, eine Pose, die in normalen Zeiten keine Schwierigkeit macht, in kritischen Perioden jedoch zu Komplikationen führt, weil die UdSSR in ihrer Außenpolitik nicht weniger skrupellos ist als die ändern Großmächte. Bündnisse, Frontwechsel etc., die nur im Spiel der Machtpolitik einen Sinn haben, müssen in Begriffen und Ausdrücken des internationalen Sozialismus erklärt und
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gerechtfertigt werden. Jedesmal, wenn Stalin seine Partner wechselt, muß
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