Im Interesse der Nation
Hinrichtung eines sowjetischen Spions oder die Haft eines lebenden, allzu redseligen sowjetischen Spions. Da die Sowjetunion jede Verbindung mit der Flugzeugentführung als absurd leugnen und als Provokation antisowjetischer Propagandisten abtun würde, sah es danach aus, als würde das selbstverständliche Todesurteil vollstreckt werden.
Der für sein Alter erstaunlich schwarzhaarige schwedische Oberstleutnant, der eine schwedische Militärtransportmaschine der Route bestieg, die man SCACYP nannte, erregte unter einem Dutzend anderer Männer in der gleichen Uniform keine Aufmerksamkeit. Es war so viel skandinavisches UN-Personal unterwegs, daß die Fluggäste einander nicht einmal dem Aussehen nach kannten. Die zypriotischen Flughafenbehörden zeigten sich von diesem zusätzlichen Flug nicht überrascht, da er der gewohnten Routine folgte.
Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow ließ sich von seinem jungen Untergebenen die Ohrenschützer zurechtrücken. Als die schwere Transportmaschine vibrierend und lärmend abhob, lehnte sich der junge Korvettenkapitän zurück, und es sah aus, als würde er gleich einschlafen. Was Gennadij Alexandrowitsch Koskow nicht im mindesten erstaunte.
Die sowjetische Funküberwachung konnte schnell bestätigen, was die GRU-Zentrale schon vorhergesehen hatte. Die Maschine nahm nicht die übliche Route über osteuropäisches Territorium, was zumindest den Vorteil hatte, daß sich damit einige schwierige Überlegungen von selbst erledigten. Die Maschine machte auf ihrem neunstündigen Flug den Umweg über NATO-Territorien, bis sie von Dänemark aus schwedisches Territorium erreichte, wo eine Rotte schwedischer Jagdflugzeuge wartete, um die Herkules nach Stockholm zu eskortieren. In der Gegend von Linköping zogen die Jagdflugzeuge diskret davon.
Auf dem Flughafen von Arlanda warteten auf dem Rollfeld ein Krankenwagen und eine Limousine des Generalstabs.
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Aus journalistischer Sicht war die Entführung der AF 129 aus Kairo eine ungewöhnlich gelungene Aktion. Es war eine glänzende Story voller Schurken und Helden und rätselhafter Vorkommnisse, die zudem eine glückliche Wendung genommen hatte. Und dann noch nicht so verdammt langwierig wie viele andere Flugzeugentführungen.
In dieser Geschichte gab es vier besonders interessante Akteure bzw. Gruppen, für die sich die Nachrichtenmedien je nach Land und Standort unterschiedlich stark interessierten.
Erstens ging es um die Entführer, eine Frage, für die sich vor allem die französische Presse interessierte. Wer waren sie, und was hatten sie vorgehabt?
Den spärlichen Angaben französischer Sicherheitsquellen zufolge waren die Entführer fast zweifelsfrei als Angehörige einer palästinensischen Abweichlergruppe identifiziert worden, die unter Führung Abu Nidals von Damaskus aus operierte. Der Überlebende der drei, der stark mißhandelt und in Handschellen den Behörden übergeben worden war, hatte einige Dokumente bei sich gehabt, die darauf hindeuteten, daß die Entführer geplant hatten, drei in französischen Gefängnissen einsitzende Terroristen gegen die französischen Fluggäste auszutauschen.
Zweitens ging es darum, Angaben über den ermordeten Amerikaner zu erhalten. Dieser hieß Stephen Holmes, ein Architekt aus Arkansas, der auf dem Heimweg von einer Architektenkonferenz in Kairo gewesen war. In der amerikanischen Presse wurde einen Tag nach der Entführung angedeutet, Stephen Holmes habe möglicherweise für die CIA gearbeitet. Falls sich das bestätige, müßten die Entführer davon gewußt haben, da der Mord an Holmes gleich zu Beginn der Entführung erfolgt sei.
Doch zwei Tage nach der Entführung, als amerikanische Behörden in ungewöhnlich entschiedener Form dementierten, Holmes habe Verbindung zu amerikanischen Regierungsstellen gehabt, und auch dessen Frau und Verwandte interviewt worden waren, verebbte die spannende Theorie. Dagegen entstand ein neues Rätsel. Holmes hatte auf dem falschen Platz gesessen, da er für die Touristenklasse gebucht hatte, jedoch nachweislich in einem Sessel der Ersten Klasse ermordet worden war. Warum hatte er den Platz gewechselt? Hatte ihn jemand dazu verleitet?
Und, drittens, wer war der »rätselhafte Mann«, der neben dem ermordeten Stephen Holmes gesessen hatte? Warum hatten die Entführer gerade ihm ein solches Interesse entgegengebracht, daß sie ihm Handschellen anlegten? Und warum war er bei der vom Helden des Dramas improvisierten Zwischenlandung in Larnaka
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