Im Interesse der Nation
machte er einem Vorgesetzten Meldung.
»So spät erst?«
»Ja, das liegt einmal am Umweg, dann an der letzten Strecke mit leiser Fahrt, da geht es nur langsam voran.«
»Okay«, sagte Carl, »ich muß versuchen, ein wenig zu schlafen. Ich habe lange und schwierige Vorbereitungen hinter mir. Kann ich mich hier irgendwo aufs Ohr legen?«
Man wies ihm die Koje ganz oben zu, unter den Fotos des Königs und der Königin. Carl kannte das Bild, das eine recht sexy aussehende Silvia mit entblößten Armen zeigte. Das Außenministerium hatte die Geschmacklosigkeit besessen, es auch an einige arabische Botschaften zu schicken. Auf einem U-Boot machte sich das Foto besser.
Carl kletterte in die Koje hinauf und blickte eine Zeitlang in das leicht rätselhafte Lächeln der Königin. Dann zog er den Vorhang zu und konzentrierte sich darauf, einzuschlafen und sich keine Sorgen zu machen. Die beiden anderen hatten die Messe diskret verlassen.
Das U-Boot fuhr in zwölf Meter Tiefe und mit halber Kraft direkt aufs offene Meer zu. Fast alle an Bord gingen ihren Beschäftigungen nach oder ruhten, als ginge es nur um einen von vielen Aufträgen, über die man nicht sehr viel wußte, die aber doch nichts anderes mit sich bringen würden als die gewohnte Routine: Die Zeit verging, die Wachen lösten einander ab, und zu bestimmten Zeiten wurde gegessen. Drei Personen an Bord taten ihr Äußerstes, um ihre Nervosität unter Kontrolle zu halten.
Carl konnte nicht einschlafen. Da er die Beine leicht anziehen mußte, fiel es ihm schwer, eine bequeme Schlafstellung zu finden. Einmal drehte er sich so heftig und irritiert um, daß er mit den Knien fast die Königin heruntergerissen hätte. Er schaltete die Kojenlampe ein und rückte das Bild zurecht. Dann machte er das Licht wieder aus, legte sich auf den Rücken und begann, systematisch seine Ausrüstung zu memorieren, als zählte er Schafe.
Die Nitrox-Mischung würde sich automatisch an die jeweilige Tiefe anpassen. Die Orientierungsinstrumente hatte er schon oft verwendet. Die Distanz bot nur mäßige Schwierigkeiten. Er würde mit einer Abweichung von höchstens zehn Metern am Ziel ankommen. Sein Erkundungsauftrag war klar umrissen. Man hatte ihm mitgeteilt, daß es keine Abwehreinrichtungen gegen Taucher gab.
Carl grübelte über dieses Problem nach. Abwehreinrichtungen gegen feindliche Taucher waren doch möglich - etwa Fischnetze, die einem Taucher schwer zu schaffen machen würden, kombiniert mit elektrischen Schockladungen. In der vorgesehenen Tiefe wäre an der Oberfläche nichts zu merken, aber ein Taucher, der sich in der Nähe befand, wäre sofort verwundet oder kampfunfähig. Zugleich wäre eine solche Einrichtung ein hoch wirksames Alarmsystem.
Carl warf sich in seiner Koje hin und her und fühlte sich fast hellwach, jedenfalls weit entfernt von seinem normalen Schlafbedürfnis.
Nein, es wäre idiotisch gewesen, ihm solche Informationen zu geben, wenn sie nicht den Tatsachen entsprachen. Es wäre nicht nur zynisch - in diesem Punkt hatte Carl durch seine amerikanische Ausbildung kaum noch Illusionen -, sondern es wäre einfach idiotisch.
Rein theoretisch waren also fremde Taucher die einzige Bedrohung. Doch einmal würde es Tauchern unter Wasser unerhört schwerfallen, einander in der Dunkelheit zu orten, zum andern glaubte Carl eine wirksame Abwehr zu besitzen.
Wenn sie Horcheinrichtungen verwendeten, würden sie sein Kommen bemerken, zwei riesige, lärmende Schwimmblasen, die eindeutig kein Ostseedorsch waren. Doch die Wahrscheinlichkeit, daß sie auch aktive Lauscheinrichtungen verwendeten, war wegen des Entdeckungsrisikos nur gering. Überdies war sich Genosse Koskow in dieser Hinsicht seiner Sache offenbar sicher gewesen.
Passiven Lauscheinrichtungen würde Carl sich vollkommen lautlos nähern.
Carl-Erik Halldén war noch ziemlich frischgebackener Generalstabschef und damit Vizeadmiral. Er hatte den Gipfel seiner Karriere erreicht. Oberbefehlshaber konnte er nicht mehr werden, und feuern konnte man ihn auch nicht mehr. Das waren einfache Tatsachen, die seine Neigung zu jungenhaften Scherzen in letzter Zeit möglicherweise verstärkt hatten. Er war dafür bekannt, daß er sagte, was er meinte, und galt als ein Mann, der oft - jedenfalls öfter als andere Offiziere seines Rangs - sowohl das Leben als auch militärische Realitäten nicht allzu ernst nahm.
Doch gerade an diesem trüben, diesigen Frühlingsmorgen hatte er vor Schlafmangel blutunterlaufene Augen, als
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