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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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er im Stabsgebäude erschien, und erstaunte seine Sekretärin mit ungewohnter Morgenmuffeligkeit. In einer Stunde sollte er sich beim Oberbefehlshaber einfinden. Er bestellte sich mürrisch einen Kaffee, gab Befehl, ihn nicht zu stören, was immer geschehe, wer immer sich melde, und schloß sich buchstäblich in seinem Zimmer ein, als der Kaffee auf dem Schreibtisch stand. Seine Sekretärin, die ihn abschließen hörte, glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.
    Halldén holte eine große Seekarte aus dem Schrank und entrollte sie auf seinem Konferenztisch. Er entnahm seinem Schreibtisch einen Zirkel und errechnete den ungefähren Kurs und die mögliche Fahrzeit des U- Boots Sjöbjörnen. Er folgte dem geplanten Kurs aufs offene Meer hinaus, bog etwa bei Huvudskär ab und setzte den Weg nach Ahnagrundet vorbei zum offenen Meer hin fort, bis der Kurs auf der restlichen Strecke in Richtung Furusund schwierig wurde. Dort würde das U-Boot der Fahrrinne nach Finnland folgen, bis zum Ziel im Abschnitt Trälhavet, direkt nördlich von Vaxholm. Ungefähr sieben Stunden. Dann schlimmstenfalls zwei Stunden für den eigentlichen Erkundungsauftrag, wie er die Operation umschrieb, dann eine schnellere Rückkehr über die Sandhamns-Fahrrinne, etwa fünf Stunden. In etwa fünfzehn Stunden von jetzt an gerechnet, etwa gegen Mitternacht, waren Ergebnisse zu erwarten. Bis dahin war man auf allzu viele Vermutungen angewiesen.
    Carl-Erik Halldén flüchtete sich eine Zeitlang in ein Nebenproblem. Immerhin hatte die Bibliothek des Generalstabs die Namensfrage lösen können, nämlich nach welchen Männern die drei Stationen benannt waren. Station Apraksin, zu der HMS Sjöbjörnen jetzt unterwegs war, war nach Fjodor Matwejewitsch Apraksin benannt, der von 1661 bis 1728 gelebt hatte. Apraksin war General und Admiral gewesen, Graf, Schöpfer der russischen Kriegsmarine und einer der engsten Vertrauten Zar Peters I.
    Im Jahre 1710 hatte Apraksin Wyborg genommen, 1719 die Küsten Södermanlands und Östergötlands verwüstet und hätte um ein Haar Finnland erobert.
    Station Bodisko war nach einem gewissen Konteradmiral Bodisko benannt, der im Jahr 1808 ganz Gotland erobert und die Insel mit nur 2 000 Mann besetzt hatte. Er war jedoch nach etwa einem halben Jahr vertrieben worden und nach der Heimkehr offenbar in Ungnade gefallen, da er die eroberte Insel zu leicht aufgegeben hatte.
    Station Tschitschagow : Wassilij Jakowlewitsch Tschitschagow, 1716 bis 1809, Admiral, Polfahrer, schloß die schwedische Flotte bei Wyborg ein und schaffte es, daß die Schweden bei ihrem Ausbruch neun größere Schiffe verloren. Dieses »Wyborgsche Spießrutenlaufen« war später auf wundersame Weise in einen schwedischen Sieg verwandelt worden. Wenige Monate später besiegte Tschitschagow bei Reval eine überlegene schwedische Flotte. Er war also der Mann, der Schweden im Ostseeraum endgültig zur Seemacht Nummer Zwei gemacht hatte.
    Eine nach ihm benannte Basis oder »Station« würde vermutlich auf die schwedische Marine angesetzt werden, falls die Namen überhaupt etwas zu bedeuten hatten. In diesem Zusammenhang war natürlich interessant, daß die Stationen die Namen von Seehelden aus einer Zeit trugen, die fern von allem war, was Sozialismus hieß, jedoch einen überdeutlichen Zusammenhang mit Kriegshandlungen gegen Schweden aufwiesen.
    Nein, Carl-Erik Halldén rief sich zur Ordnung. Er verlor sich in Spekulationen.
    In dem zusammenfassenden Bericht des OP 5, für den Samuel Ulfsson persönlich verantwortlich zeichnete, wurde bedauerlicherweise eine klarere Sprache gesprochen. Carl-Erik Halldén beschloß, die Akte nochmals durchzulesen, bevor er bei dem Treffen mit dem Oberbefehlshaber so etwas wie einen Entscheidungsvorschlag präsentierte.
    Die Hauptüberschrift lautete Operativer Nachrichtendienst.
    Von dem strategischen, hauptsächlich im Ausland stationierten Nachrichtendienst der Sowjetunion waren eine ganze Reihe von Männern auf verschiedenen Rangebenen in den Westen übergelaufen. Bei dem operativen, in der Sowjetunion stationierten Nachrichtendienst jedoch war Koskow der erste Überläufer überhaupt. Zudem war er alles andere als ein kleiner Subalterner.
    Er war Chef des Zweiten Direktorats der Marinestreitkräfte in Kaliningrad, das formal zum Wehrbereich Leningrad gehörte. Wer aber bei einer sowjetischen Armee oder Flotte Chef des Zweiten Direktorats war, war damit Nachrichtenchef. Dieses Muster wiederholte sich im gesamten Sowjet-System und war

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