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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Die Besatzung kletterte einzeln durch die Luke in den Rumpf. Carl warf einen letzten langen Blick auf das Deck, das sich in die vollkommen glatte Wasseroberfläche neigte. Unbewußt holte er noch einmal tief Luft, bevor er die Leiter hinunterstieg.
    Der Flaggenkadett, der die eine von Carls schweren Reisetaschen trug, wies ihm den Weg zum Torpedoraum, wo er seine Sachen abstellen konnte, bis der Einsatz begann. Dann ging es durch die schmalen Gänge zurück in Richtung Turm, bis er die Offiziersmesse erreichte, in der ihn der Kommandeur und der Zweite Offizier erwarteten. Sie schlossen die Tür und hießen ihn an Bord willkommen. Beide hatten den Rang eines Korvettenkapitäns und waren etwa in seinem Alter. Beide waren kleinwüchsig, wie an das Leben auf einem U-Boot angepaßt, und hatten entschlossene viereckige Gesichter. Sie boten Carl Kaffee aus einer Thermoskanne an und machten den Eindruck, als wollten sie ihm viele Fragen stellen. Der Zweite Offizier war selbst ehemaliger Marinetaucher und an Bord für Tauchoperationen verantwortlich. Die Stimmung war betreten. Das Boot machte eine leichte Bewegung, und eine Kaffeetasse rutschte über die Tischplatte.
    »Wir tauchen jetzt, das ist es, was du spürst«, erklärte der Kommandant. »Du bist natürlich schon früher von U-Booten aus getaucht?«
    »Ja«, erwiderte Carl kurz und unterdrückte den Impuls, noch hinzuzufügen: nicht von diesem Bootstyp aus. Carls letzter Einsatz als Taucher war von einem amerikanischen Atom-U-Boot aus erfolgt, das sich von schwedischen U-Booten der Sjöormen-Klasse ohne Zweifel beträchtlich unterschied.
    »Die größte Tauchtiefe bei dieser Operation hat man uns mit dreißig bis zweiunddreißig Metern angegeben. Stimmt das?« wollte der Zweite Offizier wissen.
    »Ja«, log Carl.
    »Kannst du uns erklären, worum es dabei geht?« fragte der Kommandant mit deutlich gespielter Beiläufigkeit, als wollte er etwas Selbstverständliches erfahren.
    »Es geht um die Beschaffenheit bestimmter Bodenregionen, wie man euch vermutlich schon gesagt hat. Mehr kann ich nicht sagen. Wichtig ist die Navigation, daß wir exakt zum angegebenen Ausgangspunkt kommen«, erwiderte Carl und versuchte dabei ebenso beiläufig zu sprechen wie der Kommandant.
    »Es ist natürlich verdammt wichtig, daß ich mich als Kommandant auf alle Eventualitäten vorbereiten kann, und da wir die letzte Strecke bei absoluter Funkstille und geräuscharmer Fahrt zurücklegen werden, liegt auf der Hand, daß niemand uns hören soll.«
    »Ja«, erwiderte Carl, »das ist schon richtig. Ich habe aber noch eine weitere Anweisung, und die ist schriftlich und gilt von dem Moment an, an dem wir unsere Position erreicht haben.«
    Er zog einen kleinen weißen Umschlag aus der Tasche und legte ihn auf den braunen Bakelittisch. Der Umschlag war versiegelt und trug den handschriftlichen Vermerk An den Kommandanten.
    Der kleine weiße Umschlag lag auf der Tischplatte, ohne daß einer der beiden U-Boot-Offiziere Miene machte, ihn anzufassen.
    »Darf ich ihn jetzt schon öffnen?« fragte der Kommandant.
    »Ja, nach dem Ablegen, wenn wir uns unter Wasser befinden, und das dürfte wohl jetzt der Fall sein«, erwiderte Carl leichthin. Er wußte ziemlich genau, was in dem Befehl stand, den der Kommandant jetzt vorsichtig öffnete.
    Der Umschlag enthielt eine weiße Briefkarte mit dem Dienstsiegel des Marinechefs in der oberen linken Ecke. Der Befehl war mit Tinte geschrieben und vom Marinechef unterzeichnet. Es war ein sehr kurzer Befehl:
    Wenn der Taucher bei der angegebenen Position abgesetzt worden ist, maximal dreieinhalb Stunden warten. Ist der Taucher bis dahin nicht zurückgekehrt, Rückkehr zum Stützpunkt. Dieser Befehl ist zu vernichten. Der Inhalt ist streng geheim.
    Die beiden Offiziere lasen die Mitteilung zweimal; beim zweitenmal sehr langsam. Es war ein Befehl, der über den nach schwedischen Verhältnissen extrem ungewöhnlichen Charakter des Auftrags nicht viele Zweifel ließ. Ein Taucher, der nach einer bestimmten Zeit nicht zurückkehrt, ist ohne Zweifel ein toter Taucher.
    Als der Zweite Offizier, der selbst ausgebildeter Marinetaucher war, die Mitteilung zum zweitenmal gelesen hatte, spürte er, wie sich ihm die Haare auf den Unterarmen sträubten. Als er aufsah und Carls Blick begegnete, nickte dieser fast unmerklich bestätigend. Genau, so war es.
    »Wann werden wir unsere Position erreicht haben?« fragte Carl.
    »In etwa acht Stunden«, erwiderte der Kommandant schnell, als

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