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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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würden wir uns lächerlich machen, wenn wir gleich an der großen Alarmglocke ziehen.«
    »Und wenn die Angaben zutreffen? Was werden wir dann machen?«
    »Keine Ahnung. Bringen wir erst mal das hinter uns.«
    »Und wenn ich nicht zurückkehre?«
    »Dann werden wir trotzdem herausfinden, ob die Angaben zutreffen. Ach, da ist noch etwas, das ich fast vergessen hätte. Dieser Auftrag ist freiwillig.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein.«
    »Verzeihung, das dachte ich aber«, sagte Carl und stand auf, um zu gehen.
    Am folgenden Tag erhielt der Chefredakteur der Zeitung Östgöta-Correspondenten den seltsamsten Anruf seiner ganzen Laufbahn. Dabei hatte er schon einiges erlebt und war immerhin Vorsitzender des schwedischen Publizistenklubs. Zudem hielt er oft Vorträge über Unabhängigkeit und Integrität von Journalisten.
    Natürlich konnte er nicht leugnen, daß sein Blatt an den letzten beiden Tagen eine recht schrille Nachrichtenvermittlung betrieben hatte. Schade nur, daß die landesweiten Medien die Neuigkeit nicht in dem Umfang aufgegriffen hatten, den sie verdiente. Natürlich neigten die Kriminalreporter dazu, jeden Stoff zu dramatisieren, aber der Redaktionschef hatte - bildlich gesprochen - diesem munteren und einfallsreichen Arne Lenström immerhin den Kopf gewaschen. Dennoch hatte dieser versichert, seine Quellen seien so zuverlässig, daß man die Nachricht nur zu bringen brauchte, und es gab ja unleugbar Gründe, sich zu fragen, weshalb diese Mordermittlung nicht von der Stelle kam. Zudem hatte man vorsichtshalber der Schlagzeile SCHWEDISCHER AGENTEN- MORD? ein Fragezeichen hinzugefügt.
    Doch jetzt rief der Generalstabschef persönlich an. Der Vizeadmiral versicherte zwar, man respektiere die Verfassung, die freie Presse und die freie Meinungsäußerung, wie er sich ausdrückte. Doch verhalte es sich tatsächlich so, daß Östgöta-Correspondenten dabei sei, der Verteidigung Schwedens durch diese Publizität ernsthaft zu schaden.
    Wenn der Vorsitzende des Publizistenklubs den Thesen seiner zahlreichen Vorträge jetzt gefolgt wäre, hätte er im Brustton der Überzeugung erklären müssen, als Chefredakteur und verantwortlicher Herausgeber nehme er von Behörden keinerlei Befehle entgegen, weder von Militärs noch von Zivilisten. Überdies liege es allein an den Journalisten selbst, zu entscheiden, ob sie diesen oder jenen Interessen von Staat und Gemeinschaft schadeten oder nützten, wenn sie sensible Nachrichten veröffentlichten.
    Der Chefredakteur schaffte es jedoch nur andeutungsweise, sich in dieser Richtung zu äußern. Wonach der Generalstabschef drohte, dafür zu sorgen, daß er hinter Gitter komme, wenn das Blatt die bisher eingeschlagene Linie weiterverfolge. Allein schon in sachlicher Hinsicht seien die Meldungen des Blatts dummes Gewäsch, von einem »Agentenmord« könne keine Rede sein, vielmehr werde mit diesen Veröffentlichungen der Landesverteidigung ein Schaden zugefügt, den er, der Generalstabschef, nicht näher erläutern könne. Es sei doch wohl selbstverständlich, daß Schweden keine »Agentenmorde« in Auftrag gebe, es verhalte sich vielmehr so, daß die Aufmerksamkeit infolge eines unglücklichen Zufalls auf einen sensiblen Teil der schwedischen Landesverteidigung gelenkt worden sei. Und im Hinblick auf gegenwärtig laufende Aktionen, die mit Norrköping nicht das geringste zu tun hätten, könnten weitere Spekulationen größten Schaden anrichten. Das würde nicht nur Schwedens Verteidigung schaden, sondern unter Umständen der ganzen Nation.
    Damit hatte der Generalstabschef den Hörer auf die Gabel geknallt.
    Er hat nicht einmal an meine Stellung in der psychologischen Abwehr appelliert, dachte der Chefredakteur und Reservemajor beleidigt. Vielleicht hatte er es nur aus Pietät nicht getan, nein, er schien so aufgeregt zu sein, daß ihm das vielleicht nicht eingefallen ist, überlegte der Chefredakteur und Vorsitzende des Publizistenklubs weiter.
    Doch dann gelangte er in seinen Überlegungen an ein paar kritische Punkte. Nach allem, was er in seinen Vorträgen immer gesagt hatte, hätte er bei der Jagd auf den Spion und Mörder volle Kraft voraus befehlen müssen. Gleichzeitig müßte er eine eigene, heroische, doch elegant formulierte Erklärung publizieren, weshalb gerade der Östgöta-Correspondenten, der immer auf Seiten der Leser stehe, sich weigerte, sich Direktiven der Obrigkeit zu beugen.
    Wenn die Brüder ihn dann vor Gericht stellen wollten, würde er sich dem

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