Im Interesse der Nation
nicht stecken?« fragte Leonard Söderberg ohne eine Spur von Ironie.
»Das will ich nicht gehört haben«, sagte der Oberbefehlshaber knapp.
Doch offenbar hatte Samuel Ulfsson es gehört, und damit war diese Frage abgehakt.
»Aber warum schmeißt uns die Regierung Knüppel zwischen die Beine? Denen muß doch klar sein, was für eine Bedeutung das alles hat. Es ist ja nicht gerade ein unwichtiges Puzzleteilchen, das uns noch fehlt und zu dem wir jetzt keinen Zugang haben. Wie denken die eigentlich?«
»Ich habe keine Ahnung«, entgegnete der Oberbefehlshaber mürrisch.
»Aber ich weiß, wie Koskow denkt. Er glaubt ein Risiko zu sehen, wir könnten ihn gegen gewisse Gegenleistungen an die Sowjetunion ausliefern. Und aus diesem Grund treibt er dieses anscheinend übertrieben vorsichtige oder anscheinend übertrieben mißtrauische Spiel mit uns weiter.«
Ein schweres, düsteres Schweigen erfüllte den Raum. Wer jetzt noch etwas sagte, lief definitiv Gefahr, zuviel zu sagen.
»Das war’s dann wohl«, sagte der Oberbefehlshaber schließlich, nahm die Brille ab und sah sich um. »Dann schlage ich vor, daß du, Leonard, mit Samuel die operative Alternative durcharbeitest, und dich, Carl-Erik, hätte ich gern noch unter vier Augen gesprochen.«
Alle standen auf und verabschiedeten sich mit einem Kopfnicken. Der Chef der Marine war plötzlich zum Verantwortlichen der Operation geworden, ohne daß es ausgesprochen worden war.
Was der Marinechef und der Chef des Nachrichtendienstes ausheckten, mußte nicht unbedingt dem Generalstabschef und dem Oberbefehlshaber vorgetragen werden, und was diese beiden unter vier Augen besprachen, mußte nicht unbedingt den beiden anderen, die jetzt gingen, bekannt werden.
Und ohne daß der Oberbefehlshaber das Wort »Regierung« in den Mund genommen hätte, hatte er tatsächlich gesagt, die Regierung überlege sich, den sowjetischen Überläufer, der Schweden unschätzbare Dienste geleistet hatte, einer sicheren Todesstrafe auszuliefern.
Doch zugleich hatte er es nicht gesagt. Insoweit besaßen alle deniability, und alle bewegten sich vorsichtig, als liefen sie auf Eiern.
»Was zum Teufel machen wir, wenn die den armen Teufel verkaufen wollen?« sagte der Marinechef halb zu sich selbst und halb zu Samuel Ulfsson, als sie einen Korridor entlanggingen, in dem niemand sie hören konnte.
»Staatsstreich oder was?«
Beide prusteten los, als wäre ihnen schon lange danach zumute gewesen. Der Ausdruck fiel im Generalstab immer wieder, war jedoch nicht allzu ernst gemeint. Er war eine Anspielung auf das, was einer der Stabsredakteure der Informationsabteilung vor einem Jahr zu Aftonbladet gesagt hatte: Man könne U-Boote nicht an die Oberfläche bekommen und nicht mehr Material erhalten - ohne einen Staatsstreich anzuzetteln. Der Mann mußte wegen dieser Äußerung ziemlich zusammengestaucht worden sein, und es kam vor, daß ihn Kollegen bei Begegnungen in irgendeinem Korridor mit dem munteren Gruß: »Hallo, was macht denn der Staatsstreich?« bedachten. An Karriere war für den Unglücklichen nicht mehr zu denken.
Der Chef der Marine und der Chef des OP 5 widmeten sich strikt praktischen Fragen, als sie allein waren. Über anderes fiel kein Wort. Es galt im Hinblick auf bisher Bekanntes, nämlich zwei Positionen und auf die vermutete Position einer dritten Station, vor allem Transportprobleme zu lösen. Lenkwaffenträger oder Hubschrauber kamen da in Frage. Vermutlich würde sich eine möglichst hohe Geschwindigkeit als entscheidend erweisen, da eine synchronisierte Aktion an allen drei Positionen zugleich unmöglich war.
Joar Lundwall saß im Bug des kleinen, in Klinkerbauweise gefertigten Holzboots mit Außenbordmotor. Als sie die Förde überquerten, sprühte die Gischt der Bugwelle im Wind manchmal so hoch, daß er bis ins Gesicht naßgespritzt wurde. Doch er saß da wie in einem Traum und hatte keinen Gedanken für die ungastliche Frühlingskälte seines Landes. Es war eine unendlich lange Reise gewesen. Als sie endlich in Stockholm-Arlanda gelandet waren, stellte sich heraus, daß sie das Flugzeug nicht verlassen durften. Sie warteten unter den anderen Erster-Klasse-Passagieren der TWA-Maschine, flogen weiter nach Kopenhagen, wo Hamilton Tickets für die Pendelmaschine nach Sturup in Schonen gekauft hatte. Und dort hatten sie zwischen den knallgelben Hallen gehockt, bis die gecharterte Swedair-Maschine landete und sie abholte. Dann ein neuer Flug in einer lärmenden
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