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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Tonfall.
    »Guten Morgen, Genosse Subarow«, erwiderte Jurij Tschiwartschew gemessen und setzte sich.
    »Sei doch nicht so förmlich, Jurij Michailowitsch. Du hast doch meinen Namen nicht vergessen, hoffe ich«, fuhr der KGB-Resident ein wenig beleidigt fort.
    »Nein, natürlich nicht, Anatolij Wassiljewitsch.« Jurij Tschiwartschew gab in freundlichem Tonfall nach. Krach war das letzte, was er gebrauchen konnte. Er warf einen Seitenblick auf das Foto Gorbatschows hinter dem Rücken seines Kollegen. An der Eichentäfelung war deutlich zu sehen, daß dort zuvor ein größeres Bild gehangen hatte, entweder von Breschnjew oder Andropow. Reichlich förmlich und übertrieben vorsichtig. Niemand bezweifelte so ohne weiteres die Loyalität eines KGB- Residenten, und wer es doch tat, tat gut daran, seine Zweifel für sich zu behalten.
    Zu seinem Erstaunen entdeckte Tschiwartschew, daß die KGB-Leute einerseits einzigartige Informationen hatten, daß Moskau andererseits ihnen aber die ganze Tragweite dessen, was geschehen konnte, vorenthalten hatte. Doch er ließ sich nichts anmerken, sondern lauschte dem Vortrag mit ausdruckslosem Gesicht.
    Die schwedische Regierung habe einen besonderen Arbeitsausschuß eingesetzt, einen improvisierten Krisenstab, wie man ihn nennen könne, um über die Frage des Verräters und ehemaligen Vizeadmirals Gennadij Alexandrowitsch Koskow zu diskutieren, der beim GRU - was vom KGB-Chef mit Nachdruck betont wurde - eine leitende operative Funktion besessen habe. Der schwedische Krisenstab bestehe aus dem Ministerpräsidenten, dem Außenminister, dem engsten Berater des Ministerpräsidenten, Carl Larsson, sowie dem starken Mann im Außenministerium, Peter Sorman. Diese diskutierten vier Möglichkeiten: 1. Auf dem Weg der Geheimdiplomatie gegen bestimmte sowjetische militärische Initiativen, die jedoch nicht näher bezeichnet würden, zu protestieren, 2. die Angelegenheit zu einem öffentlichen diplomatischen Protest eskalieren zu lassen, 3. zu militärischer Gewalt zu greifen - an dieser Stelle gluckste der KGB-Chef still vor sich hin, ohne daß Jurij Tschiwartschew auch nur im Traum daran dachte, ihm die Augen darüber zu öffnen, daß Gewalt durchaus in Frage kommen konnte; sowie 4. Gennadij Alexandrowitsch auf dem Weg der Geheimdiplomatie gegen bestimmte militärische Zugeständnisse auszuliefern.
    Die Schweden schienen der vierten Möglichkeit zuzuneigen. Wie man erfahren habe, schwanke der Ministerpräsident in dieser Frage, zuletzt bei einem Treffen gestern abend, das nach Dienstschluß im Außenministerium stattgefunden habe. Sorman und möglicherweise auch Carl Larsson neigten mit einiger Sicherheit dazu, Koskow auszuliefern.
    Von Seiten der Botschaft sollten keinerlei diplomatische Initiativen ergriffen werden, bevor die Schweden ihren ersten Zug machten. Die Diplomaten seien angewiesen worden, sich bis auf weiteres zurückzuhalten.
    Die Zentrale - die KGB-Zentrale also - befürworte die vierte Alternative. Die Schweden sollten bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in dieser Richtung ermuntert und von anderen Möglichkeiten abgeschreckt werden.
    »Aber, mein lieber Anatolij Wassiljewitsch, wie sollen wir sie abschrekken können, bevor wir überhaupt wissen, was sie vorhaben? Wie zum Beispiel sollten sie mit Gewalt gegen die Sowjetmacht vorgehen können?« fragte Jurij Tschiwartschew mit sanfter Bosheit, ohne auch nur mit einer Miene zu verraten, daß seine Phantasie eine Fülle von Möglichkeiten eines gewalttätigen Vorgehens gegen die denkbaren Ziele sah.
    »Nun, das ist bis auf weiteres eine akademische Frage«, brummelte der KGB-Chef beleidigt, und Jurij Tschiwartschew beschloß sofort, etwas Freundlicheres zu sagen.
    »Ihr habt ohne jeden Zweifel glänzende Informationen. Falls sie korrekt sind, doch davon gehe ich aus. Dieses Treffen hat also gestern abend im Außenministerium stattgefunden? Haben wir dort technische Einrichtungen? Das habe ich gar nicht gewußt. Aber wie du weißt, beschäftigen wir uns nicht so sehr mit Diplomaten.«
    »Aus mir kriegst du nichts heraus«, lachte der KGB-Chef munter und etwas lärmend. »Unsere Quellen behalten wir für uns selbst. Doch im Ernst: Wir halten diese Informationen für sehr zuverlässig.«
    »Ja. Unabhängig davon, ob ihr euch schwedische Verräter leistet oder ein paar neue japanische Mikros in die Hand bekommen habt, möchte ich gratulieren. Das sind wirklich wertvolle Informationen«, entgegnete Jurij Tschiwartschew ruhig.
    Die

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