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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Propellermaschine, anschließend Leihwagen von Linköping über Nynäshamn nach Smådalarö, und jetzt endlich ein normaler schwedischer Außenborder. Sie waren unterwegs zu dem, was Hamilton base camp nannte; sie hatten beschlossen, amerikanische Befehle und amerikanische Terminologie zu verwenden, um jedes Risiko von Mißverständnissen auszuschließen.
    Alles war wirklich und doch so unwahrscheinlich, daß nicht einmal die Kälte den Eindruck von einer Traumwelt verwischen konnte. Nach mehr als drei Jahren in amerikanischem Drill mit einem kalifornischen Klima und amerikanischer Ausrüstung, nach einer langen Zeit in den USA, in denen alles groß und üppig und von militärischer Ästhetik geprägt war - angefangen bei farbenfrohen Symbolen auf todbringendem Material bis hin zu Kentucky fried chicken und Rockmusik bei der Arbeit - war Joar Lundwall jetzt zu etwas unterwegs, was möglicherweise eine Operation Big Red werden konnte, zu etwas, was in all seiner Konkretheit dennoch unfaßbar war. Er glaubte, nicht so etwas wie gewöhnliche Angst zu spüren, es war eher eine unbestimmte Besorgnis, wie es werden würde, wenn das Unwirkliche Realität würde und all das, was er jahrelang geübt hatte, im Lauf weniger Augenblicke zur Anwendung kommen sollte. Er hatte nie so recht daran geglaubt, daß er in dem fernen, konturlosen schwedischen Nachrichtendienst field operator werden würde. Wenn nach den fünf Jahren in San Diego der Moment gekommen wäre, sich zu entscheiden, hätte er dazu geneigt, nein danke zu sagen. Und jetzt saß er hier, das Base Camp schon in Sichtweite. Es war eine luxuriöse Ferienhausanlage auf einer Schäreninsel. So sah es also in Wirklichkeit aus - mit Bootshaus, Sauna, Gästehaus und Haupthaus aus dicken Holzbohlen sowie einer Fahnenstange mit schwedischem Wimpel, einem gewöhnlichen schwedischen Wimpel, keiner Marineflagge.
    Und jetzt war Joar Lundwall field operator, was immer er bis jetzt geglaubt oder gemeint hatte. Er war einberufen worden, unterstand dem Befehl eines Korvettenkapitäns und war verpflichtet, jedem Befehl zu gehorchen. Das war völlig wahnsinnig, es war unfaßbar. Und die Erschöpfung nach dem langen Flug tat vermutlich das Ihre, um Joar Lundwalls Realitätsgefühl zu beeinträchtigen. Denn anders als Hamilton, der fast die ganze Zeit geschlafen hatte, als kehrte er bloß nach einigen ausschweifenden Nächten in New York zurück, war es Joar Lundwall sehr schwergefallen, an Bord einzuschlafen.
    Wie er dort im Bug saß, hätte er auf jeden Betrachter einen weichen und etwas verträumten Eindruck gemacht. Er war ein Mann, der auf eigentümliche Weise sehr sanft wirkte, obwohl seine hervorragende körperliche Verfassung im Grunde eine andere Sprache sprach. In seiner Umgebung vermuteten übrigens viele, daß er homosexuell war, und unter Gleichgesinnten gab es selten Zweifel. Er war jedoch kein Macho. Schwarzes Leder war nicht sein Ressort, wie es vermutlich bei Åke Stålhandske der Fall gewesen wäre. Joar Lundwall wollte sich nicht eingestehen, daß er Stålhandske verabscheute, konnte aber auch nicht zugeben, bei seinem so völlig andersartigen Kollegen auch etwas Positives sehen zu können. Sie waren wie Tag und Nacht oder wie Pechmarie und Goldmarie, wie Hamilton sie einmal im Scherz genannt hatte.
    Joar Lundwall konnte die Faszination, die von Hamilton ausging, nicht verdrängen. Hamiltons innere Gegensätze bargen eine spannende Rätselhaftigkeit; einerseits war er natürlich sehr viel mehr the real thing, als Stålhandske je werden würde, wie sehr er sich auch bemühte. Hamiltons Körper in der Sauna war ein unglaublicher Anblick; natürliche Muskulatur ohne Stålhandskes Hantel-Kosmetik, die Folternarben, die Einschußlöcher - Austrittslöcher - sowie der Eindruck vollständiger Selbstbeherrschung.
    Gleichwohl schien es bei Hamilton, trotz einiger Andeutungen, keine reine Mordlust zu geben wie bei Stålhandske. Überdies hatte Hamilton eine Vorliebe für klassische Musik und zudem, soweit ersichtlich, literarische Interessen, die man sonst kaum bei einem Menschen mit solchen Austrittslöchern vermutet hätte.
    Auf der mittleren Ducht saß Stålhandske und schwadronierte von einer besonders gefährlichen Luftlandeoperation im nördlichen Kalifornien:
    »Verflucht noch mal. Wir lagen wie ein einziger Dünnpfiffstrahl in der Luft, als hätte diese gottverfluchte C-104 Durchfall bekommen. Als wir sprangen, konnte man schon die Baumwipfel sehen, und vier Mann wurden

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