Im Interesse der Nation
unterschätzt, weil es überwiegend mit offen zugänglichen Informationen arbeitete, hatte das Bilderrätsel gelöst. Von dort kamen mit der Post eine Detailvergrößerung und ein Bild des Originals.
Es handelte sich um die sogenannten SEAL-Schwingen, die im Lauf der Zeit nur an etwas mehr als dreihundert Personen ausgegeben worden waren, von denen inzwischen mehr als zweihundert der Reserve überstellt oder pensioniert waren. Die amerikanische Navy hatte irgendwann in den sechziger Jahren damit begonnen, eine Kombination aus Marinetauchern und Fallschirmjägern auszubilden, die wie normale Luftlandetruppen abgesetzt werden konnten, jedoch auch aus niedriger Höhe bei hoher Geschwindigkeit, im Dunkeln und direkt über der Meeresoberfläche. Die Ausbildung hatte zu sehr vielen Verwundeten und einigen tödlich Verunglückten geführt.
Das normale Symbol des SEAL-Teams bestand aus einem Adler, der in der einen Kralle einen Dreizack und in der anderen einen automatischen Karabiner hielt. Die stilisierten goldenen Schwingen mit einem Dreizack in der Mitte waren jedoch eine besondere Auszeichnung, die nur die Besten der Besten erhielten. Aus diesem Grund hatte das Informationsinstitut des GRU so wenige Träger der Schwingen ermittelt.
Es handelte sich um herausragende Spezialisten, die sowohl für vorgeschobene Erkundungsaufträge wie für Operationen hinter den feindlichen Linien ausgebildet worden waren, etwa wie die Spetsnaz-Verbände. Zu Hause war man bisher jedoch nicht auf die Idee gekommen, lebende Spetsnaz-Soldaten wie Bomben abzuwerfen, doch genau darauf liefen diese neuen Erkenntnisse hinaus.
Daß die Amerikaner sich mit derlei beschäftigten, war nicht verwunderlich. Sie verfügten über ein breites Spektrum von Spezialisten und testeten zahlreiche neue Möglichkeiten. Doch daß ein Schwede die gesamte Ausbildung durchlaufen hatte, war um so interessanter - wenn Hamilton die Schwingen trug, gab es darüber keine Zweifel.
Daraus folgte, daß den Schweden der Gedanke, auf sowjetischem Territorium zu operieren, nicht mehr fremd war. Das konnte zu Verwicklungen führen, da man davon ausgehen mußte, daß sich zwischen den Schweden und den USA im stillen eine Zusammenarbeit entwickelt hatte. Schon der Umstand, daß Hamilton in den USA ausgebildet worden war, war ein klarer Hinweis in diese Richtung.
Da sieht man, dachte Tschiwartschew, wieviel eine unscharfe Detailvergrößerung aussagen kann und welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn man sich nur ein bißchen mehr anstrengt. Gute Arbeit, dachte Tschiwartschew anerkennend.
Doch jetzt war Hamilton in die USA gereist. Der erste Gedanke, der Jurij Tschiwartschew bei dieser Nachricht durch den Kopf geschossen war, war die Vermutung, daß Hamilton gemerkt haben mußte, welche Aufmerksamkeit er genoß, vor allem, weil einige Gorillas aus dem Tschekisten-Lager gleichzeitig mit dem GRU hinter ihm her gewesen waren. Das war ebenso unverzeihlich wie dumm. Hamilton hatte folglich seinen Vorgesetzten davon berichtet, die sofort Verdacht geschöpft und beschlossen hatten, ihren teuer erworbenen Spezialisten eine Zeitlang aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn er aber in den USA ausgebildet war, hatte er dort vielleicht einige Verbindungen. Vielleicht würden die Schweden die Gelegenheit nutzen, ihn als Verbindungsoffizier einzusetzen, während er zu Hause aus der Schußlinie war. Das war wahrscheinlich, doch nur eine Vermutung.
Jurij Tschiwartschew legte die Bilder mit den Detailvergrößerungen zusammen mit dem Bericht des Informationsinstituts in Hamiltons Akte, die er in seinem Panzerschrank verschloß. »Irgendwann bist du uns in der Sowjetunion herzlich willkommen. Wenn wir dich eingefangen haben, wird uns der Gesprächsstoff schon nicht ausgehen«, lächelte er, setzte schnell einen neuen Gesichtsausdruck auf - mürrisch - und ging quer durch das Botschaftsgebäude zu dem Informationsaustausch mit seinem Kollegen, dem KGB-Residenten.
Da Juri Tschiwartschew es nicht schätzte, wenn sein eigenes Personal mit den Gorillas des KGB unnötig fraternisierte, kam er zu diesem Treffen mit dem KGB-Residenten und dessen zwei Stellvertretern alleine. Diesen war anzusehen, daß sie wichtige Informationen besaßen und folglich gut gearbeitet hatten, was sich bedauerlicherweise schnell als wahr erwies.
»Guten Morgen, mein lieber Jurij Michailowitsch. Wie es scheint, haben wir alle Hände voll zu tun«, grüßte der KGB-Mann in einem angesichts der Lage fast unpassend jovialen
Weitere Kostenlose Bücher