Im Irrgarten der Intelligenz: Ein Idiotenführer (edition suhrkamp) (German Edition)
stutzig machen.
Beim Publikum jedenfalls hat Eysenck mit seinem Test viel Anklang gefunden. Das mag auf den ersten Blick rätselhaft erscheinen. Indessen gilt die Intelligenz, wie gesagt, als eine Kardinaltugend der Moderne, und das Streben nach der Tugend ist, wie schon die Alten wußten, dem Menschen angeboren. So kommt es wohl, daß sich viele aus freien Stücken der Prüfung durch einen strengen, streng wissenschaftlich orientierten Experten unterziehen, vor allem dann, wenn ein Zweifel an der eigenen Vortrefflichkeit an ihnen nagt. Um so erhebender ist es dann, wenn der magische Quotient die hundert übersteigt. Man kann dann mit einem gewissen Recht von sich sagen, daß man einer Elite angehört, und darf sich um die Mitgliedschaft in einem Club bewerben, der solchen ausgezeichneten Personen als Heimstatt dient.
Er nennt sich Mensa International und heißt alle willkommen, deren Quotient höher liegt als bei 98 Prozent der restlichen Population. Die Aufnahmekriterien sind erbarmungslos. Jeder Antragsteller muß einen von der Organisation genehmigten Standardtest absolvieren, den das nächstgelegene Mensa-Büro bereithält. (Amüsanterweise existiert inzwischen sogar eine DIN-Norm für solche Tests, die allerdings nicht verhindern konnte, daß Tausende von konkurrierenden Modellen im Schwange sind; dem Mental Measurements Yearbook zufolge waren es 1974 bereits 2467. 13 ) Auch Schultests werden akzeptiert, vorausgesetzt, man legt eine mit dem Stempel der Schule versehene Kopie des Ergebnisses vor. Auch kann man sich notfalls an einen Diplompsychologen wenden und dessen Bericht einsenden, der allerdings auf seinem offiziellen Briefpapier abgefaßt, eigenhändig unterschrieben, mit seiner Lizenznummer versehen und notariell beglaubigt sein sollte. Einer Mitgliedschaft in diesem erlesenen Kreis steht dann nichts mehr im Wege.
Ein allzu großer Andrang ist, schon wegen der anstrengenden Prozedur, wohl nicht zu befürchten, obwohl der Club nach eigenen Angaben rund hunderttausend eingeschriebene Mitglieder zählt. Das mag an dem Mißtrauen liegen, das viele Menschen Geistesriesen gegenüber hegen. Aber vielleicht haben sie einfach nur keine Lust, sich freiwillig einem Test zu unterziehen? In diesem Fall tauchen sie natürlich in den einschlägigen Statistiken gar nicht auf. Dort, wo auf die Probanden, wie in manchen Schulen oder Kliniken, ein sanfter Druck ausgeübt wird, werden solche Leute auf eine Taktik zurückgreifen, die sich seit Menschengedenken als recht erfolgreich erwiesen hat. Sie werden sich einfach dumm stellen – eine sichere Methode, um jeden Tester zur Verzweiflung zu bringen. Traditionell haben, nicht nur an den Höfen, die Narren zu diesem Mittel gegriffen, das selbstverständlich Geistesgegenwart und Raffinement voraussetzt. Das klassische Beispiel für dieses Verfahren, dem mit wissenschaftlichen Methoden schwer beizukommen ist, bietet Jaroslav Hašek mit seinem klassischen Werk, den Abenteuern des braven Soldaten Schweijk während des Weltkriegs. Auch das Genie Karl Valentin hätte jeden Versuch, seine Intelligenz zu testen, mühelos matt gesetzt.
VIII.
Lästige Fragen
Schon die einfachsten laienhaften Erkundigungen, wie sie gewöhnlichen Menschen einfallen, stoßen bei vielen Gelehrten auf Befremden oder auf Ratlosigkeit. Was ist common sense ? Kreativität? Inspiration? Empathie? Naivität? Intuition? Wie soll man so etwas messen? Das sind wahrhaft bange Fragen, auf die sich ein sauberer IQ-Test lieber nicht einlassen wird.
Viel stärkere Kaliber jedoch haben die professionellen Kritiker aufgefahren, und zwar von Anfang an. Sie haben sich nicht damit begnügt, an den methodischen Schwächen des einen oder anderen Tests herumzumäkeln. Schon Binet, der Pionier, hat an der Meßbarkeit der Intelligenz gezweifelt. Niemand hat diesen Einwand grundsätzlicher formuliert als Stephen Jay Gould, der brillante Biologe und Evolutionsforscher aus Harvard, in seinem Buch Der falsch vermessene Mensch. 14
Es sind zwei fundamentale Trugschlüsse, die er den Testmethoden der Psychologen ankreidet. Das ist zum einen die Verdinglichung von abstrakten Größen wie dem IQ oder dem g genannten »allgemeinen Intelligenzfaktor«. Gould zufolge läßt sich Intelligenz als eine kompakte, fest umschriebene Erscheinung auf keine Weise quantifizieren; deshalb ist es unmöglich, eine Meßzahl anzugeben, die dazu taugen könnte, sie einem Individuum zu- oder abzuschreiben.
Zum zweiten greift Gould die Vorstellung
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