Im Jahre Ragnarök
Tubber resigniert kehrt machen, als zwei Jeeps vor dem Schlagbaum hielten. Der vordere trug am Kühlergrill eine rote Plakette mit fünf blank polierten Messingsternen.
Neben dem Fahrer saß ein Mann mit einer schweren Armeepelzmütze, dessen unverwechselbares faltiges Gesicht die harten, herrischen Züge einer römischen Feldherrenbüste aufwies: General George S. Patton.
Der Sergeant nahm sogleich Haltung an und salutierte. Patton streifte den erstarrten Tubber mit einem missbilligenden Blick und fragte den Wachhabenden dann grimmig: »Wer ist dieser Zivilist?«
»First Lieutenant John Horatio Tubber vom britischen Joint Intelligence Service, General, Sir!«, meldete der Sergeant. »Er will den General sprechen, Sir!«
Patton kräuselte die dünnen weißen Augenbrauen und sah Tubber nochmals an, nun aber länger und durchdringender. »Tubber? Etwa der Tubber, von dem das Buch Die Topografie der Levante und Kleinasiens und ihre Bedeutung für die Kriegszüge der alten Welt stammt?«, wollte er wissen.
Tubber war er so überwältigt, dass es einige Sekunden dauerte, bis er reagierte und erwartungsvoll erwiderte: »Oh ... ja. Ja, Sir. Hat es Ihnen gefallen, Sir?«
»Nein. Fast alle Ihre Charakterisierungen der großen Heerführer sind absolut falsch«, meinte der General in mitleidloser Knappheit. »Sie haben keine Ahnung, was einen Alexander ausmacht.«
Das vernichtende Urteil traf Tubber hart, doch er versuchte Haltung zu bewahren, so schwer es ihm auch fiel.
Aber Patton hatte noch nicht zu Ende gesprochen. In etwas anerkennenderem Tonfall fuhr er fort: »Allerdings sind Ihre Landeskenntnisse bemerkenswert. Und Sie haben Sinn für das Wesen der antiken Kriegführung. Das findet man selten. Ich kann einen intelligenten Gesprächspartner verflucht gut brauchen. Los, steigen Sie ein.«
Es war eindeutig keine Bitte, sondern ein Befehl, und Tubber befolgte ihn unverzüglich.
Etwas Besseres hätte ihm nicht passieren können, dessen war er sich bewusst.
Kaum hatte er auf dem Rücksitz des Jeeps neben zwei Jagdgewehren Platz gefunden, hob sich auch schon der Schlagbaum und die beiden Wagen fuhren in den Park von Sanssouci.
Vor den hohen Fenstern stand ein großer Tisch, auf dem eine Karte Tunesiens ausgerollt lag. Auf ihr befanden sich verschiedenfarbige Holzklötzchen, einige mit dem römischen Legionsadler versehen, andere mit einer liegenden Mondsichel, und stellten die zur Schlacht formierten Heere eines Jahrtausende zurückliegenden Krieges dar.
Über dem verschnörkelten Marmorkamin, in dem anstelle eines Feuers ein Ölradiator für Wärme sorgte, standen nebeneinander aufgereiht die bleichen Gipsbüsten von Cäsar, Napoleon, Friedrich dem Großen, Alexander und, im Zentrum platziert, Patton selbst. An der Wand daneben hing, befestigt auf einer Platte aus poliertem Ebenholz, ein prunkvoller amerikanischer Offiziersdegen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Und so ging es immer weiter. Es war das Reich eines Mannes, der sich als geborenen Feldherrn sah.
In seltsamem Kontrast zum martialischen Charakter dieser Objekte stand der Raum selber, der mit silbrig schimmernden Seidentapeten reinste Rokoko-Heiterkeit verbreitete und an dessen Decke gemalte Putten ihren sorglosen Vergnügungen zwischen luftigen Wolken nachgingen. Patton hatte schon beim Eintreten ausdrücklich hervorgehoben, dass es sich um das Audienzzimmer Friedrichs des Großen handelte; etwas in dieser Art hatte Tubber auch bereits vermutet. Es passte zu dem, was er über das Selbstverständnis des Generals gehört hatte, der sich in einer Reihe mit den herausragenden Feldherren der Weltgeschichte sah.
Tubber vermied es, direkt zur Sache zu kommen. Zu groß war die Gefahr, Patton zu verstimmen. Also ließ er sich zunächst auf eine Unterhaltung ein, die sich rasch zu einem Monolog des Generals entwickelte. Erträglich wurde dem Engländer die Rolle des Zuhörers durch einen glücklicherweise recht bequemen Sessel und einen wirklich exzellenten Kentucky Bourbon, der auf einem Beistelltisch in Griffweite bereitstand.
Anfangs redete der ihm gegenüber sitzende Patton über die Schlachten der Antike.
Als er auf die Punischen Kriege zu sprechen kam, erwähnte er, als wäre es das Normalste überhaupt, dass er genau wisse, in einem früheren Leben Scipio Africanus gewesen zu sein. Tubber nahm das ohne mit der Wimper zu zucken hin, wenn er auch insgeheim am Geisteszustand des Generals zweifelte.
Der Themenwechsel zu seiner eigenen Person gab Patton Gelegenheit,
Weitere Kostenlose Bücher