Im Kerker der schönen Justine
»Höre ich da Unmut aus deiner Frage, Geisterjäger?«
»Überhaupt nicht. Wenn es sich hier um einen Vampirbiss gehandelt hätte, lägen die Dinge anders. Aber das ist nun mal nicht der Fall. Hier hat kein Vampir gesaugt. Das müssen wir nun mal zugestehen. Hier waren andere am Werk, und ich gehe dabei von normalen Menschen aus, und das ist im Prinzip kein Fall für uns.«
Tanner gab nicht auf. »Was sollte denn ein normaler Gangster oder wer auch immer mit dem Blut eines Menschen anstellen? Könnt ihr mir das erklären?«
»Noch nicht.«
»Eben. Und deshalb denke ich, dass ihr euch darum kümmert. Ich meine, ich bin kein Fachmann, aber stellt euch mal vor, dass es jemand gibt, der Blut sammelt. Und wenn ja, wofür braucht er das? Will er eine Blutbank anlegen? Will er das Blut verkaufen? Ich schätze, damit kann man gute Geschäfte machen.«
»Mach keine zu großen Schritte, Tanner«, stoppte ich ihn. »Man kann Geschäfte damit machen, da stimme ich dir zu, aber das Blut eines einzelnen Menschen...«
»Stop!« Ich sprach nicht mehr weiter, denn ich sah in Tanner’s harte Augen. »Die Überraschung kommt wie immer zum Schluss, und diesmal wird sie auch euch erwischen. Es ist nicht die erste blutleere Leiche, die wir gefunden haben. Es gab noch einige andere.«
»Wie viele genau?«
»Mit dem Toten hier ist das Dutzend voll.«
Die Antwort hatte mir den Atem verschlagen. Davon hatten wir nichts gehört und auch nichts in irgendwelchen Meldungen gelesen. Suko schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass auch er nichts über diese Vorgänge wusste, und ich merkte, dass sich mein Herzschlag leicht beschleunigte. Es konnte durchaus sein, dass ich meine Meinung ändern musste, denn zwölf blutleere Leichen zu finden deutete auf eine große Sache hin. Dahinter steckte dann Methode.
»Wir gehen sogar davon aus, dass es noch mehr gewesen sind«, erklärte Tanner.
»Du meinst, dass nicht alle gefunden worden sind?«, fragte mein Partner.
»Richtig, Suko.«
»Aber ihr habt die Toten identifizieren können...?«
Der Chief verzog die Lippen. »Schön wäre es. Einige ja, und ich kann euch sagen, dass sie zu den Verlierern der Gesellschaft gehörten. Männer, die auf der Straße lebten. Oder Leute, die sich illegal in diesem Land aufhalten. Die Hautfarbe spielte dabei offenbar keine Rolle. Wichtig war einzig und allein das verdammte Blut.«
Das sah wirklich nicht gut aus. Ich spürte den kalten Hauch, der über meinen Rücken glitt. Dann wollte ich wissen, warum Tanner uns nicht früher Bescheid gegeben hatte.
Er lachte mich zunächst mal an. »Hast du nicht selbst davon gesprochen, dass euch ein solcher Fall nichts angeht?«
»Ja, das habe ich. Aber jetzt sieht die Sache anders aus. So viel Blut, das deutet entweder auf ein großes Geschäft hin – oder eben in eine ganz andere Richtung.«
»Genau, John. Ihr habt mit Vampiren zu tun, und mir kam in den Sinn, dass es möglicherweise irgendwelche Vampire gibt, die das Blut der Menschen nicht nur trinken, sondern sammeln. Oder liege ich da so falsch mit meiner Vermutung?«
»Nein, wenn man es von dieser Warte aus betrachtet.«
»Wie gesagt, es ist nur ein Verdacht, aber ich meine, dass es sich lohnt, ihm nachzugehen.«
»Ja, das find’ ich auch.«
»Bekommen wir deine Berichte?«, bat Suko.
»Alles, was ihr wollt. Ich will nur, dass dieser verdammte Fall aufgeklärt wird. Zudem bin ich froh, dass die Presse noch keinen Wind davon bekommen hat. Das wäre noch schöner.«
Ich blickte Suko an und nickte Tanner dann zu. »Gut, dann werden wir mal versuchen, unsere Fühler auszustrecken.«
»Aber nicht nur bei normalen Menschen«, meinte Tanner.
»Werde mal konkreter.«
Er lächelte mich schief an. »Ihr kennt doch eure Pappenheimer und auch diejenigen, die sich davon ernähren, indem sie das Blut der Menschen trinken. Dieser komische Supervampir, der Mallmann heißt. Wäre das nicht eine Spur?«
»Dracula II beißt noch selbst«, sagte Suko. »Da ist er sehr konservativ.«
Wir hatten hier nichts mehr zu suchen. Trotzdem schauten wir uns die Leiche noch mal genauer an, aber nichts am Hals wies auf eine Bisswunde hin. Ich nickte unserem Freund Tanner zu. »Dann wollen wir uns mal vom Acker machen.«
»Aber wir bleiben in Verbindung.«
»Keine Sorge, Tanner, wir wissen immer, wo wir dich erreichen können.«
»Okay.«
Sehr nachdenklich schritten wir wieder zurück zu unserem Rover. Tanner hatte sich nicht geirrt. Eigentlich ging uns dieser Fall der
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