Im Kerker der schönen Justine
ist in diesem Fall ein Befehl.«
»Ja, ja, das tue ich auch. Mein Gott, danke.« Die Frau stand auf, stellte die Flasche zu Boden und raffte ihre Decke zusammen. Als sie auch die Flasche an sich nehmen wollte – das war schon mehr ein Reflex –, da griff Justine danach, hob sie an und kippte sie um. Der Gin lief aus und klatschte auf den Boden.
Die Patientin schaute zu. Den Mund hatte sie säuerlich verzogen und sie schüttelte auch den Kopf, doch kein Wort des Widerspruchs drang über ihre Lippen.
»Okay?«
»Ja, Dr. Varela, das ist okay.«
Sehr gut. Justine hatte sogar den Namen der Ärztin erfahren. Das war ausgezeichnet. Dass ihr letztes Lächeln nicht der Patientin galt, sondern ihr selbst, das merkte die Frau nicht, die so schnell wie möglich davoneilte.
Justine stand dicht davor, sich die Hände zu reiben. Aber das ließ sie bleiben, andere Dinge waren jetzt wichtiger. Sie wusste, dass sie ihrem Ziel einen sehr großen Schritt näher gekommen war. Den Rest würde sie auch noch schaffen.
Zunächst musste Justine herausfinden, in welchem Haus Dr. Varela wohnte. Sie konnte sich nicht erlauben, an die Haustür zu treten und auf ein Namensschild zu hoffen, denn sie wollte nicht gesehen werden.
Es blieb nur eine Möglichkeit: die Rückseite der beiden Häuser. Bis sie die erreicht hatte, vergingen nicht mal fünf Minuten. Von Sinclair und Suko sah sie nichts. Es war gut, dass sie den normalen Weg gingen, da würden sie auch nicht stören.
Es gab natürlich keinen Garten hinter den Häusern. Da wuchs der Wald schon bis an das Mauerwerk heran, was die Vampirin nicht störte. Sie war froh, als sie das Gestein spürte und sogar zwei kleine Fenster entdeckte, kaum größer als Schießluken.
Allerdings gab es da ein Problem. Die Fenster waren von innen verhängt. Die Bewohnerin wollte wohl nicht, dass Sonnenlicht hineinfiel. Außerdem war Justine davon überzeugt, dass sie bereits beim ersten Versuch das richtige Haus gefunden hatte.
Und noch etwas erlebte sie. Und das gab ihr endgültig die Gewissheit, richtig zu sein.
Ihre sensible Nase nahm einen bestimmten Geruch auf – Blut...
»Scotland Yard?«, fragte der Arzt, als wir die Tür hinter uns geschlossen hatten.
»Sie haben sich nicht verhört.«
Dr. Bonham stand vor dem länglichen Konferenztisch und schüttelte den Kopf.
Damit er beruhigt war, bekam er unsere Ausweise zu sehen, was er gar nicht wollte und abwinkte.
Auf dem Tisch standen noch die benutzten Tassen und auch Wassergläser. Er räumte einige von ihnen zusammen und sagte mit leiser Stimme: »Bitte, dann setzen Sie sich doch.«
»Danke.« Wir fanden unsere Plätze auf den Stühlen am Tisch.
Auch der Arzt nahm langsam Platz und schüttelte dabei den Kopf. »Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was die Polizei hier von mir will. Ehrlich nicht.«
»Es wird auch wohl nicht um Sie gehen«, sagte Suko. »Wir haben einige andere Fragen.«
»Bitte, dann möchte ich sie hören.«
Da das Tageslicht recht hell war, hatte der Arzt die Fenster durch Spaltrollos schützen lassen.
Suko und ich saßen dem Mann schräg gegenüber.
Mein Freund stellte die erste Frage. »Sagt Ihnen der Name Cecil Frazer etwas?«
Dr. Bonham überlegte leger. »Das ist schwer. Wenn Sie mich so fragen, dann müsste er mir etwas sagen.«
»Genau.«
»Ich muss leider passen.«
»Er hat als Patient hier bei Ihnen in der Klinik gelegen, Doktor«, sagte ich.
»Ach, wie lange denn?«
»Das können wir nicht sagen. Er ist bereits auf eine ungewöhnliche Art und Weise entlassen worden.«
Pete Bonham winkte ab. »Dann ist es doch klar, dass ich mich nicht mehr erinnern kann. Entlassene Patienten, das ist...«
»Moment«, sagte ich. »Sie haben wohl das Wort überhört, dass ich eingefügt hatte?«
»Welches denn?«
»Ungewöhnlich. Verbunden mit Art und Weise.«
»Ja, jetzt, wo Sie es sagen, erinnere ich mich wieder. Was ist an einer Entlassung ungewöhnlich?«
»Der Mann war tot«, sagte Suko.
Dieser Satz hatte gesessen. Der Arzt senkte den Kopf. Wir konnten nicht mehr in seine Augen schauen. Dafür sahen wir die Hände, die sich unruhig über den Tisch bewegten. Der Mann schien doch etwas nervös geworden zu sein.
»Erinnern Sie sich jetzt?«
»Ja, nun schon. Sie müssen entschuldigen, aber ich habe bei der Besprechung sehr viel um die Ohren gehabt. Ich musste einen Personalmangel ausgleichen.«
»Ja, das kennt man ja.«
»Irgendetwas bleibt immer hängen.«
Wir nickten ihm zu und kamen wieder auf den
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