Im Kerker der schönen Justine
geschafft hat, sie zu einer Blutsaugerin zu machen, dann stehen sich, wenn beide sich treffen, zwei Wiedergänger gegenüber. Zwei, die unheimlich stark sind und sich bis aufs geraubte Blut bekämpfen.«
»Hört sich nicht mal unübel an.«
»Das ist es auch nicht«, erklärte ich. »Da könnten wir wirklich ansetzen.«
»Dann frage ich mich, mit wem wir zuerst sprechen sollen? Mit dem Oberarzt oder mit ihr?«
»Wir werden keine Pferde scheu machen«, entschied ich. »Immer der Reihe nach. Zuerst Dr. Bonham. Dann werden wir weitersehen.«
»Einverstanden, John. Doch ich darf dir schon jetzt sagen, dass ich mich auf die Begegnung freue. Allmählich fange ich an, den Namen Justine zu lieben.
»Aber doch hoffentlich nur platonisch!«
»Was denkst du denn?«
Die Treppe zur ersten Etage hatten wir hinter uns gelassen. Von einer Waid-Klinik konnte man auch die Meinung haben, dass sie in ihrem Innern recht dunkel ist.
Hier war das nicht so. Durch die großen Scheiben der Fenster drang genug Tageslicht. Die breite Tür zum Etagenflur stand offen. Im Gang hörten wir die Stimmen mehrerer Menschen, und als wir genauer hinschauten, sahen wir das Personal, das soeben das Besprechungszimmer verlassen hatte.
In der Tür zum Zimmer stand ein Mann, der eine Brille trug. Etwas auffällig war auch seine Halbglatze. Da er die Leute verabschiedet hatte, gingen wir davon aus, dass es sich um Dr. Bonham handelte.
Ich sprach seinen Namen laut aus.
Der Arzt drehte den Kopf. »Ja, ich bin Dr. Pete Bonham.«
»Sehr schön. Dann hätten wir gern einige Auskünfte von Ihnen...«
***
In Justine Cavallo »brannte« es. Sie saß im Wagen, schaute durch die Scheibe und beobachtete John Sinclair und Suko, die mit den beiden Männern sprachen, die aus dem Fahrerhaus gestiegen waren. Was da geredet wurde, hörte sie nicht. Es war ihr letztendlich auch egal. Sie war zwar mit den beiden hergefahren, aber es hieß noch lange nicht, dass sie auch immer das tun musste, was die andere Seite wollte. Sie war durchaus in der Lage, ihren eigenen Weg zu gehen.
Und diese Gelegenheit bot sich, als niemand zum Rover hinschaute, Justine öffnete die Seitentür und schlängelte sich aus dem Fahrzeug. Sehr leise drückte sie den Wagenschlag wieder zu. Geduckt huschte sie über den Weg, sprang mit einem Satz durch das hohe Gras am Waldrand und huschte dort sofort weiter, sodass sie von der Straße her nicht mehr gesehen werden konnte.
Das Feuer loderte weiter in ihr. Sie war keine Hellseherin, aber die Blutsaugerin ging einfach davon aus, dass hinter ihrem Rücken etwas geschehen war, was sie nicht akzeptieren konnte. Hier ging es um einen verdammten Plan, in dessen Mittelpunkt sie stand.
Der Wald schluckte sie. John und Suko würden sie nicht mehr sehen können. Sie brauchte auch nicht besonders vorsichtig zu sein. Die leisen Geräusche, die sie verursachte, erreichten die beiden ebenfalls nicht.
Justine kämpfte sich durch. Es machte ihr nichts aus, wenn Zweige gegen ihr Gesicht klatschten oder Äste durch ihr Haar streiften. Sie verspürte keine Schmerzen. Auch wenn sie aussah wie eine attraktive Frau, sie war ein Wesen, das sich vom Blut der Menschen ernährte. Daran gab es nichts zu rütteln.
Auch jetzt erlebte sie den Hunger. Er war nicht so intensiv, dass sie sich auf das erstbeste Opfer gestürzt hätte, aber ausschlagen würde sie es auch nicht.
Der Weg war klar. Sie würde sich parallel zur Straße halten, nur eben versteckt im Wald. Dann war sie in der Lage, plötzlich aufzutauchen, um sich in Szene zu setzen.
Schon sehr bald merkte sie, dass sie nicht am Eingang der Klinik den Wald verlassen würde, denn der normale Weg hatte sich etwas davon entfernt. Sie behielt die Richtung trotzdem bei, und lächelte wenig später so breit wie möglich.
Justine stellte fest, dass sie es genau richtig gemacht hatte. Sie würde den schützenden Wald nicht vor der Klinik verlassen müssen. Sie konnte auf die Rückseite gelangen, und genau das war wichtig.
Sie ging noch ein paar Schritte weiter. An einem Platz, von dem aus sie eine gute Sicht hatte, blieb sie stehen.
Hinter dem Krankenhaus war der Wald gerodet worden. Diese freie Fläche hatte man genutzt und so etwas wie einen kleinen Park angelegt, in dem auch Häuser standen, die kaum größer als Gartenlauben waren, aber gemauert waren und keine Leichtbauweise zeigten. Gardinen hingen hinter den Scheiben. Auch das war ein Zeichen, dass die kleinen Häuser bewohnt waren.
Justine ging davon aus,
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