Im Kinderzimmer
einen besessen hätte.
Dort, wo Katherine einen Teil ihrer frühen Kindheit durchlitten hatte, war Kleidung unterschieds- und lieblos an alle ausgegeben worden, nie hatte einer selbst ein Kleidungsstück besessen, Kleidung war gnadenlos zu steif kratzender Reinheit gewalkt und gewaschen worden. Und dann diese Wolle! Auf der Haut wie zarter Flaum. Den Unterschied vergaß sie nicht.
Von oben drang gedämpft Davids Stimme aus dem zweiten Stock zu ihr, wo er Atelier und Büro hatte. Der Luxus solcher Weitläufig-keit: drei Schlaf- und zwei Badezimmer im ersten, Davids Räume und die der Kinder im zweiten Stock. Darüber noch der Dachboden, der ausgebaut werden sollte. Bisher waren nur Oberlichter eingesetzt worden, der erste Schritt zur Metamorphose zum zweiten Wohnzimmer mit einem kleinen Nebenraum, in dem es jetzt noch nicht einmal Licht gab. David wollte sich dranmachen, sobald die Pläne genehmigt wurden. Im Augenblick jedoch stand der Boden leer –
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gekehrt, doch wenig einladend. Der einzige Teil des Hauses, dessen sie sich etwas schämte und den sie, wegen seiner nackten Finsternis, fürchtete. Des Nachts bildete sie sich beim Einschlafen ein, oben Schritte und das Rascheln und Knistern von Insekten auf den blanken Dielen zu hören.
Gleich sechs Uhr. Eine Viertelstunde noch, dann die Kinder abholen. Jeremy würde müde sein, für ihn ein langer Tag, selbst wenn Jeanetta brav gewesen war – unwahrscheinlich – und ihn hatte schlafen lassen. Katherine stellte sich vor, wie herrlich es wäre, wenn Mrs. Harrison die beiden schon gefüttert und gebadet haben würde.
Ja, herrlich, dann müßte sie sie nur noch ins Bett stecken. Adrett und gepflegt setzte sie einen Schritt vor den anderen. Das Haar hatte sie aus dem Band gelöst, das sie im Fitneß-Center getragen hatte. Nach dem lieblichen Parfüm duftend, das David für sie aussuchte, stieg sie die Treppe hinauf, klopfte an die Tür und trat im selben Moment ein
– eine Störung, die, so die Regel, nur bei vorheriger Aufforderung gestattet war. »Wenn ich um sechs noch im Atelier bin«, hatte er gesagt, »dann klopf doch bitte an. Colin Neill wird sich dann lang genug über die Umbaupläne ausgelassen haben. Ich wünschte, er würde das seiner Frau überlassen, wie heißt sie doch gleich noch, Monica? Viel vernünftiger und weniger umständlich. Ihr Kerl hat mehr Geld als Verstand, und will es nicht einmal ausgeben.« Während er es sagte, hatte er Jeremy gedankenverloren unterm Kinn ge-kitzelt und Jeanetta böse angeschaut. »Das Kind muß zum Friseur.
Ihre Haare sehen gräßlich aus. Also, komm doch bitte und rette mich, falls er um sechs immer noch da sein sollte, ja?«
»Ist gut«, hatte sie bestätigt, und nun, die Standuhr im Erdgeschoß hatte vier- von sechsmal geschlagen, kam sie seiner Aufforderung nach. Mit dank eines angenehmen Nachmittags beschwingtem Schritt betrat sie Davids Räume.
Das Atelier erstreckte sich über die gesamte Tiefe des Stockwerks.
Von großen Fenstern an beiden Enden strömte Licht herein. Auf der einen Seite blickte David zur Südseite in den Garten hinaus, auf die Stufen, die sich von den Flügeltüren der Küche fächerförmig auf den Rasen breiteten. Dort stand sein Zeichenbrett. Es ließ sich zum anderen Ende des Raums rollen, wenn dort das Licht besser war. Zweck-41
mäßig als Arbeitsbereich eingerichtet, hieß der großzügige Raum einen dennoch, wie alle Räume im Haus, willkommen: helle Rattan-jalousien, die den Raum noch lichter wirken ließen, und als Gegen-gewicht zur strengen Funktionalität vor der Fensterfront auf der Straßenseite ein Paar wuchtige, urgemütliche Chesterfieldsessel im rechten Winkel, dazwischen ein persischer Teppich. Die weichen Farbtöne von Tuch und Teppich waren von der leicht verblichenen Würde der ausgesuchten Einrichtung eines Herrenklubs. Sie bildeten eine Oase, in der sich Besucher seufzend niederließen und aus der sie sich niemals wieder erheben wollten. In der arbeitsteiligen Manier, die zu einer Art Markenzeichen geworden war, hatte David die Raumsymmetrie übernommen, während Katherine für Farbe sorgte.
Jetzt fiel ihr auf, daß die in Kaskaden vom Walnußtisch auf den Teppich stürzenden Triebe der Grünpflanzen der Pflege bedurften: eine der Ranken verfärbte sich bräunlich. Davids Klient, der sich ganz als gerngesehener Gast fühlte, spielte mit den Blättern. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich, als er zu ihr herüberschaute.
Aus flüchtiger,
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