Im Kinderzimmer
denen Jennys und Monicas an der Basis – weniger gediegen natürlich und halb so groß, aber trotzdem ganz beachtlich und, auch wenn sie das abge-stritten hätten, mit Geld im Rücken, wie ihre Besitzer. Jenny war beim Vergleich der Möbel einmal aufgefallen, wie sehr ihr Heim doch dem Monicas ähnelte, wie sehr die Entwürfe, die Sofas, die Art der Stühle und der im Landhausstil eingerichteten Küchen sich glichen. Die leise Verärgerung, die sie spontan bei der Erkenntnis emp-36
fand, wie stark sie von ihrer langjährigen Freundin doch beeinflußt worden war, verbannte sie sogleich aus ihrem Bewußtsein und sagte sich nüchtern: Ja, so ist es, und warum auch nicht? Außerdem beeinflußten sie sich doch wohl alle gegenseitig, waren bei weitem nicht die Individualisten, für die sie sich hielten. Alle hatten sie ähnliche Wege eingeschlagen bei der Suche nach dem unverwechselbaren persönlichen Stil, hatten ihre Stücke sorgfältig ausgewählt und nur selten leichtfertig gekauft, verließen sich bei ihrer Jagd nach Stil und Klasse auf einen ähnlich gearteten Spürsinn und Kreditkarten – kein Wunder, daß sich die Ergebnisse wenig unterschieden.
Was ihr Haus auszeichnete, es von dem Monicas unterschied und einen Vergleich mit Katherines verbot, war die Unordnung. Jenny wurde ihrer nicht Herr, während Monica zwar selbst herumlaufen mochte wie eine Stammesangehörige in ihrem teuren Ethno-Look mit Troddeln, Ohrhängern und Regenbogenfarben, ihren Haushalt jedoch einem strengeren Regime unterstellte, an das er sich auch einigermaßen hielt. Nicht, daß es bei Jenny schmutzig gewesen wäre, aber wie sehr sie sich auch bemühte, es gab nirgends eine freie Flä-
che, nicht einmal auf dem Fußboden, Krimskrams wie Kunstobjekte fanden ihren Weg aus diversen Verstecken in die Räume und bildeten ein heilloses Durcheinander. Alles eine Frage der Einrichtung, sagte David Allendale. »Nimm es nicht krumm, aber in deinem Wohnzimmer steht nichts am rechten Platz. Wenn nie ein Schrank oder Fach in bequem erreichbarer Nähe ist, ohne daß es nötig wäre, das Zimmer zu durchqueren, um etwas wegzutun, dann ist es kein Wunder, daß es niemand tut. Und du solltest die Möbel – von denen es übrigens zuviele gibt – nicht rings herum an den Wänden verteilen wie Posten, und was deine Küche betrifft, sie zeichnet sich eher durch Umständlichkeit als durch Benutzerfreundlichkeit aus.« Er war mit guten Ratschlägen nicht zimperlich gewesen, als er und Katherine am Tisch saßen und im kollabierten Soufflé herumstocherten, das sie nach der zu stark gewürzten Kasserolle serviert hatte – eine un-glückliche Menüfolge, nebenbei bemerkt. Vermutlich würde sie auch darin Monicas Beispiel folgen und eines schönen Tages dem Kerl hier freie Hand lassen.
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Das Haus war totenstill, als Jenny eintrat. Der Anblick, der sich ihr bot, war nicht gerade der einer totalen Verwüstung, doch die Spuren zweier Mädchen im gleichen Alter wie Monicas Jungen waren un-
übersehbar. Ja, ich mache ihr alles nach, dachte Jenny. Eigentlich hätte ich gern ein Heim wie Katherines, wo mir beim Eintreten in allen Räumen aus Potpourrivasen Kräuterduft entgegenweht und wo nichts auf dem Boden herumliegt. Töchter nicht in Sicht. Ach ja, sie würden bei der Oma übernachten. Wie hatte sie deren Aufregung über das Abenteuer nur vergessen können, als ob es das erstemal wäre, und morgen ginge die geliebte Oma auf dem Zahnfleisch, was ihrer Begeisterung aber keinen Abbruch täte. Jenny hatte sich auf den kinderfreien Tag gefreut, hatte sich inbrünstig danach gesehnt, auch wenn sie mehrmals nachgefragt hatte – »Willst du sie wirklich nehmen? Bist du dir auch sicher?« –, und was war? Jetzt fehlten die beiden ihr schon wieder, war sie wild nach einem Kind in den Armen, wie sie vielleicht auf etwas zu essen wild sein konnte, begierig nach der Last federleichter Knochen auf dem Schoß, nach eigelbver-klebten Fingern am Kragen, hätte fast nach den Kindern rufen mö-
gen. Und dann war es vorüber, wie fliegende Hitze. Doch hätte sie –
in diesem Bruchteilsekundenalp – davon ausgehen müssen, daß die beiden eine Woche lang fortblieben, sie hätte laut geschrien. Stille.
Sie rief hinauf nach ihrem Mann, wohl wissend, daß er nicht da war und außerdem kein Ersatz. Aber alles wäre ihr recht gewesen, was das gefürchtete Vakuum der Abwesenheit gefüllt hätte.
Als Katherine ihre Haustür aufschloß, war sie unendlich dankbar für die Stille.
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