Im Königreich der Frommen (German Edition)
noch neu im Königreich. Denn Abdulaziz' Antwort war
typisch für einen saudischen Mann. Solche Antworten bekam ich
später immer wieder. Wenn Darth Vader nah war, trauten sie sich
selbst nicht. Als hätte der schwarze Schurke eine magische
Macht über sie.
Das wurde von allen
so gesehen. Das war die allgemein akzeptierte Sichtweise im
Königreich. Die Männer mussten sich selbst nicht trauen.
Der Prophet traute sich ja selbst auch nicht. Der Islam ist nämlich
eine Religion ,
der den Gläubigen wünscht, dass „in ihre Herzen Ruhe
vor provokativen Gedanken und blühender Phantasie einzieht“.
Die Gläubigen durften nicht in Versuchung geführt werden.
Entblößte Frauennasen und -backen waren da natürlich
Gift. Deshalb musste Darth Vader unter die schwarze Maske.
Diese Erklärung
und das Zitat über die provokanten Gedanken stammen aus dem
Buch „Die ideale Muslima – Die wahre Persönlichkeit
einer Frau nach Quran und Sunna“ von Muhammad Ali Al Haschimi.
Das ist eine der saudischen Missionsschriften, die in allen
möglichen Sprachen in Buchläden und Flughäfen der
Region ausliegen. Diese Missionsschriften aus dem offiziösen
Verlag „International Islamic Publishing House“ sind
eine aufschlussreiche Lektüre. Sie sind der wahabische Geist in
Lettern gegossen.
Bei Darth Vader im
Stadion wäre also die Hölle einen Spalt offen gestanden.
Damals wunderte ich mich noch über diese Sichtweise, sagte aber
nichts. Ich war ja noch so neu im Königreich. Schweigend fuhren
Abdulaziz und ich nach Hause.
Am nächsten
Tag kam der König aus den USA zurück. Schon ein paar Tage
vorher hatten meine Studenten angekündigt, sie würden am
Nachmittag nicht zum Unterricht kommen, weil sie „ihren König“
begrüßen wollten.
Meine Studenten
suchten immer nach einem Vorwand, nicht zum Unterricht zu kommen. Ob
es ein nahender Sandsturm war oder eine Konferenz im anderen Teil
der Universität, sie versuchten es fast jede Woche. Deshalb
fragte ich lieber bei den Kollegen nach, erfuhr aber, dass wir an
diesem Tag tatsächlich zur Mittagszeit Schluss machten.
Abdulaziz, den ich am Tag zuvor in der Mensa getroffen hatte, fuhr
natürlich auch zum Flughafen, um „seinen König“
zu begrüßen.
Er war nicht
allein. An vielen Stellen der Route, die der König durch die
Stadt nahm, jubelten ihm seine Untertanen zu. Natürlich war
vieles organisiert. Schon Tage zuvor waren an vielen Häusern
überlebensgroße Transparente des greisen Monarchen
aufgezogen worden. Alle großen Straßen der Stadt wurden
mit grünen Fahnen behangen. Das ist die Farbe des Propheten und
deshalb die der saudischen Nationalflagge. Der silberne Schriftzug
auf der Flagge ist die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis.
Trotzdem schien die
bejubelte Heimkunft des Königs echt. Die meisten Untertanen
freuten sich wirklich, dass er wieder zuhause war. Die Hauptstadt
hatte dem angeschlagenen Monarchen ein überzeugendes Willkommen
bereitet. Riad hatte ein Zeichen gesetzt. Der „Tag der Wut“
konnte kommen.
Dem Zufall wollte
das saudische Regime jedoch dann doch nichts überlassen. Eine
Woche vor dem geplanten Wutabbau erinnerte das Königshaus
deshalb daran, dass Demonstrationen gegen die Scharia-Gesetzgebung
und die saudi-arabischen Sitten und Gebräuche verstießen.
Und damit niemand denken konnte, diese Interpretation habe sich das
Königshaus nur zu eigen gemacht, um den „Tag der Wut“
zu verbieten, erinnerten die Medien auch daran, dass das Königshaus
erst 2009, anlässlich des Krieges in Gaza, schon einmal
jegliche Art von öffentlichen Protesten verboten hatte.
Der Groß-Mufti
Saudi Arabiens Abdulaziz Al Scheik und weitere führende
Geistliche unterstützten diese Position mit einer Fatwa. Auch
sie kamen zu dem Schluss, dass Demonstrationen gegen das islamische
Recht verstießen. Alle von der Regierung bezahlten Imame
predigten diese Position in den Moscheen des Landes.
Nach dem „Tag
der Wut“ sagte der Groß-Mufti sogar, wer sich gegen den
„Wächter der zwei heiligen Moscheen“ stelle –
das ist der offizielle Titel König Abdullahs – versündige
sich gegen den Islam überhaupt. Abdulaziz war derselben
Meinung. Er ging sogar noch einen Schritt weiter. Schon auf der
Fahrt zu dem Fußballspiel hatte er mir gesagt: „Der
Koran erlaubt sogar, Leute zu töten, die demonstrieren.“
Um aber sicher zu
gehen, dass sich auch wirklich alle an das Protest-Verbot hielten,
versprach das Königshaus auch eine ganze Reihe
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