Im Königreich der Frommen (German Edition)
engen Gasse und
sieht schon von außen aus, als müsse es bald einstürzen.
Es hat eine einzige Toilette für alle Bewohner. Gleichzeitig
fungiert sie als Dusche. Eigentlich ist sie jedoch weder Toilette
noch Dusche. Vielmehr ist sie eine kleine Kammer mit einem Loch im
Boden und einem Kanister Wasser in der Ecke.
Die einzige Küche
des Hauses besteht aus einem kleinen Kocher mit zwei Gasflammen, die
auf der Balustrade des ersten Stockes auf einem Tisch steht. Daneben
ist ein wackeliger Schrank aufgestellt, mit ein paar sich darin
verlierenden Lebensmitteln.
Alpajora lebt hier
mit drei anderen philippinischen Bauarbeitern in einem drei mal drei
Meter großen Raum. Ihre dünne Matratzen und Decken liegen
am Boden so eng nebeneinander, dass man dort nicht stehen kann.
Ansonsten sind die Räume nackt. Der Boden ist aus welligem,
gestampftem Lehm, die Wände drum herum sind dreckig-braun und
voller Risse. Die paar Kleider und persönlichen Sachen der
Bewohner hängen in Säcken an Nägeln an der Wand, und
die Decken der Kammern sind aus Stämmen, Ästen und
Plastikplanen zusammengeschustert. Nicht besonders sorgfältig
jedoch. Wenn es regnet, werden die Bewohner nass.
Wie jeder andere
Bewohner des Hauses zahlt Alpajora monatlich 450 Saudische Riyal
Miete, rund achtzig Euro. Das macht das Haus zu einem lukrativen
Geschäft für den Vermieter. Für das Haus, das mehr an
einen Stall erinnert als an ein Wohnhaus, macht der so ein paar
tausend Euro im Monat.
In fast allen
Fällen bekommen Gastarbeiter im Königreich Wohnraum von
ihrer Iqama-Firma gestellt. Gastarbeiter, die in solchen
Unterkünften in Batha wohnen, halten sich aller
Wahrscheinlichkeit nach also nicht legal in Saudi Arabien auf.
Deshalb, sagt John Leonard Monterona von Migrante-Middle-East,
müssen die Vermieter solcher Häuser einen Teil der
Mieteinnahmen an die Polizei abführen.
Von diesen Häusern
für Davongelaufene gibt es viele in Batha. Anfang Juli 2011 hat
ein ähnlich vollgepferchtes Haus dort gebrannt. Die Feuerwehr
hat zwei Stunden gebraucht, um das Feuer in dem verwinkelten Haus zu
löschen. Sieben indische Gastarbeiter kamen ums Leben.
Obwohl Alpajora in
Saudi Arabien unter solch schwierigen Bedingungen lebt, erzählt
er am Boden seiner Kammer sitzend, sei es hier jedoch immer noch
besser als in seinem Heimatland. Für einen Bauarbeiter wie ihn
sei es dort so gut wie unmöglich, bezahlte Arbeit zu finden.
Außer
arbeiten und schlafen tut Alpajora in Riad jedoch nicht viel. Seiner
Frau und seinem Sohn schickt er SMS-Nachrichten oder ruft sie ein
paar Mal die Woche an, sagt er. Am Freitag, dem saudischen Sonntag,
trifft er sich mit anderen Philippinos zum Basketballspielen und
Reden. Das ist es auch schon.
Oft ist er hungrig.
Manchmal, wenn seine Mitbewohner auch keine Arbeit haben, essen sie
tagelang nichts. Sonst helfen sie sich gegenseitig aus.
Wenn Alpajora
Arbeit findet, arbeitet er zehn Stunden am Tag, sechs Tage die
Woche. Er verdient umgerechnet zwei Euro die Stunde und manchmal,
mit etwas Glück, noch etwas zusätzlich, wenn die
Überstunden bezahlt werden.
Auf dem Prinzessin
Nora Campus, sagt er, hat er zwei Monate lang für einen
Sub-Unternehmer gearbeitet, der den Auftrag der Innenarbeiten von
der Bin Laden-Gruppe, der größten Baufirma auf dem
Campus, übernommen habe. „Der Sub-Unternehmer hat uns
nicht voll bezahlt“, behauptet Alpajora. Und Vrando (37), der
auf der Großbaustelle als Maler und Tapezierer gearbeitet hat
und das Zimmer mit Alpajora teilt, stößt die Hand in die
Hosentaschen und kehrt das leere Futter nach außen. Mit einem
bitteren Lachen sagt er: „Einer hat das Geld eingesteckt. Wir
waren fünfundzwanzig Arbeiter auf der Baustelle. Insgesamt
schuldet uns der Sub-Unternehmer 66.000 Riyal.“ –
umgerechnet fast 11.000 Euro.
„ Du brauchst
Wasta [Beziehungen] hier, um bezahlt zu werden. Das ist das große
Problem“, sagt auch der europäische Bauingenieur. Soweit
er informiert sei, wären die Bauarbeiter auf der Baustelle der
Prinzessin Nora-Universität allerdings bezahlt worden. Und auch
unter vergleichsweise guten Bedingungen untergebracht gewesen. Sie
hätten in klimatisierten Containern auf der Baustelle gewohnt,
sagt er, und seien gut verpflegt und auch regelmäßig
entlohnt worden.
Alpajora allerdings
schätzt, dass, als er dort arbeitete, drei Viertel der Arbeiter
auf der Baustelle Davongelaufene gewesen seien. Morgens seien Busse
nach Batha gekommen und hätten die Arbeiter zur
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