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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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sprich asiatischen
Hausmeistern, Handwerkern und Putzkolonnen (denn da kommen die
billigen Arbeitskräfte im Königreich her) in den unteren
Geschossen in Kontakt kommen müssen.
    Und die enorme
Geschwindigkeit, mit der der Campus aus dem Boden gestampft wurde,
hat wohl auch seinen Tribut an Menschenleben gefordert. „Wöchentlich
hatten wir durchschnittlich ein bis zwei Tote“, sagte der
Bauingenieur. Die meisten Opfer seien auf Verkehrsunfälle
zurückzuführen gewesen. Die Baustelle war sehr staubig und
die Sicht sei deshalb schlecht gewesen, berichtete er mir. In der
Mittagspause zum Beispiel hätten rund 15.000 Arbeiter auf
einmal mit Bussen auf dem Gelände herumgefahren werden müssen.
„Haben Sie gesehen, wie die Saudis fahren? Eigentlich ist es
erstaunlich, dass nicht noch viel mehr passiert ist“, so der
Bauingenieur.
    Nur ein größerer
Unfall kam an die Öffentlichkeit. Im Januar 2011 ist auf der
Baustelle ein Außengerüst an der Hauptbibliothek
eingestürzt. Nach offiziellen Angaben kamen dabei drei Arbeiter
ums Leben, elf wurden verletzt. Ein Sprecher des saudischen
Rettungsdienstes musste unmittelbar danach jedoch inoffizielle
Berichte dementieren, es seien bis zu sechsunddreißig
Bauarbeiter bei dem Unfall ums Leben gekommen.
    Andere jedoch sind
sich nicht so sicher. John Leonard Monterona von Migrante-Middle
East, einer Lobbygruppe für philippinische Gastarbeiter, sagt,
nach seinen Recherchen seien mindestens zehn Arbeiter zu Tode
gekommen. Und der Installateur Carlos Alpajora, der auf dem
Universitäts-Campus arbeitete, am Tag des Unfalls jedoch gerade
in dem Krankenhaus war, in das die Unfallopfer eingeliefert wurden,
sagt: „Ich habe gesehen, dass mindestens vierzig Arbeiter
gebracht wurden. Die Zahl der Opfer muss viel höher gewesen
sein, aber die Offiziellen vertuschen das Ausmaß des Unfalls.“
    Alpajora behauptet,
die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle der Prinzessin Nora
Universität seien völlig ungenügend gewesen. „Es
gab große Löcher in den Fußböden, die nicht
gesichert waren. Wir bekamen keine Helme, keine Sicherheitsbrillen,
keine Sicherheitsschuhe.“ Niemand seiner Kollegen sei
versichert gewesen. Wenn man sich verletzte, habe man die
Krankenhauskosten selbst bezahlen müssen.
    Alpajoras
Schilderung der Arbeitsbedingungen scheint im Königreich kein
Einzelfall zu sein. Nach einer Studie der Saudischen Allgemeinen
Organisation für Soziale Versicherung wurden 2010 mehr als
75.000 Arbeitsunfälle in Saudi Arabien gemeldet.
Siebenundachtzig Prozent davon seien auf Baustellen oder in Fabriken
geschehen. In sechs Prozent der Fälle waren Saudis involviert,
im großen Rest ausländische Gastarbeiter. „Nur sehr
wenige Firmen im Bausektor bestehen darauf, dass ihre Arbeiter
notwendige Sicherheitsvorkehrungen treffen“, zitiert die „Arab
News“ einen namentlich nicht genannten Bauunternehmer aus
Dschidda. „Es gibt keine Kontrolle von irgendeiner Behörde,
um sicher zu stellen, dass notwendige Sicherheitsmaßnahmen von
Baufirmen eingehalten werden.“
    Alpajora (28) ist
gelernter Klimaanlagen-Installateur. Er ist klein und gedrungen
gewachsen, hat schwarze Haare und einen dünnen Schnurrbart.
Über sich sagt er: „Ich bin Sozialist.“
    Er ist im März
2010 aus der philippischen Hauptstadt Manila nach Saudi Arabien
gekommen, verließ jedoch seine erste Arbeitsstelle nach zwei
Monaten, weil er dort, wie er sagt, nicht seinen vollen Lohn
ausbezahlt bekam.
    Im Königreich
herrscht das sogenannte Iqama-System. Ein Arbeitsvisum bekommt ein
ausländischer Arbeiter nur für eine bestimmte Firma. Diese
darf er nicht verlassen, von ihr hängt er völlig ab. Wie
viele andere Gastarbeiter lebt Alpajora also nun illegal in Saudi
Arabien.
    Im März und
April 2011 hat er Rohre und Schächte für die Klima-Anlagen
auf dem Campus der Prinzessin Nora Universität installiert. So
wirft seine Geschichte ein Schlaglicht auf das Leben eines der
vielen illegalen Arbeiter, die auf einem der saudischen Großprojekte
arbeiten.
    Mit rund fünfzig
anderen wohnt er in einem baufälligen kleinen Häuschen in
Batha, dem Altstadtviertel in der Riader Innenstadt. Es wird fast
ausschließlich von asiatischen Gastarbeitern bewohnt. Und wie
er sind fast alle „Davongelaufene“, wie sie sich selbst
nennen – also Arbeiter die nun ohne Aufenthaltsgenehmigung im
Königreich leben und arbeiten. Fast alle arbeiten auf dem Bau.
    Das zweistöckige,
windschiefe kleine Häuschen steht am Ende einer

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