Im Königreich der Frommen (German Edition)
fürchten, schauen der
Zerstörung ungerührt zu. Gegen die Einebnung der
historischen Stätten protestiert hat nur die türkische
Regierung, die das ottomanische Erbe auf der arabischen Halbinsel
erhalten sehen will, und der Iran, der Erzfeind Saudi Arabiens in
der Region.
Wenn man als
Nicht-Muslim Mekka und Medina besuchen dürfte, bräche
einem auch diese Zerstörungswut das Herz.
DIE ANDEREN: SCHIITEN IN SAUDI ARABIEN
Ich war zweimal in
Qatif, der Hochburg der Schiiten in der Ost-Provinz. Beide Male war
es eine haarige Angelegenheit.
Im März 2011,
eine Woche bevor ich zum ersten Mal fuhr, wurde dem
Reuters-Korrespondenten Ulf Laessing die Akkreditierung entzogen. Im
Morgengrauen, unmittelbar nachdem er über die Proteste in der
Ost-Provinz berichtet hatte, schreibt er in einem „Reuters“-Blog,
kamen die Sicherheitskräfte in sein Hotel. Eine Woche später
musste er das Land verlassen.
Das Königreich
ermutigte westliche Journalisten also nicht gerade, über die
Protestbewegung in der Ost-Provinz zu berichten, soviel war klar.
Deshalb war ich
froh, dass Sayed Ali (um ihn zu schützen, habe ich seinen Namen
geändert) als Treffpunkt den Parkplatz eines Einkaufszentrums
etwas außerhalb von Qatif vorschlug. Am Donnerstag, dem
saudischen Samstag, fuhr ich mit dem Zug nach Dammam, richtete mich
dort in einem kleinen Hotel ein und fuhr am frühen Nachmittag
mit dem Taxi nach Qatif.
Die Stadt ist
eigentlich nicht viel mehr als ein Vorort von Dammam, der Hauptstadt
der Ost-Provinz. Eigentlich ist die gesamte zentrale Küste der
Ost-Provinz wirklich eine Stadtlandschaft der Städte Dammam, Al
Khobar und Dahran. Dahran ist der Sitz von Aramco, dem saudischen
staatlichen Ölkonzern, und damit das Zentrum der saudischen
Ölförderung. Die drei Städte Dammam, Al Khobar und
Dahran sind zusammengewachsen und auch auf der Fahrt die Küste
entlang nach Norden von Dammam nach Qatif verließen mich die
Häuser an den Rändern der Straße nie.
Ohne Probleme
passierte ich eine Straßensperre an der Einfallstraße
nach Qatif und fand auch das Einkaufszentrum, den geplanten
Treffpunkt, nach etwas Suchen. Sayed Ali stieg aus einem Lexus mit
dunklen Scheiben und bedeutete mir gleich, mich auf den Rücksitz
zu setzen. Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
Sayed Ali war
damals achtundzwanzig Jahre alt. Er hatte ein breites Gesicht und
eine beginnende Glatze. Unter seinen Augen lagen tiefe Furchen. Mit
seiner leicht klagenden Stimme sagte er, seit die Demonstrationen
begannen, habe er nicht viel geschlafen.
Damals kannte ich
Sayed Ali kaum. Er war mir als einer der Organisatoren der Proteste
empfohlen worden. Ich telefonierte ein paar Mal mit ihm, weil ich
ihn als Augenzeuge der Demonstrationen zitieren konnte. Am Ende
eines Interviews sagte ich, dass ich plante, nach Qatif zu fahren
und ihn dann gerne treffen würde. Er sagte, das gehe in
Ordnung. Ich dachte, ich hörte Skepsis in seiner Stimme. So als
wollte er sagen, na, dann komm mal. Ich glaube es erst, wenn ich es
sehe. Aber als ich dann kam, war er vorbereitet.
Das merkte ich
gleich, nachdem ich mich ins Auto gesetzt hatte. Sayed Ali erklärte,
was er mit mir an diesem Tag vorhatte. Erst wollte er mir Qatif
zeigen. Dann sollten wir in seinem Haus warten und am Abend würde
er mich zu der Demonstration bringen.
Wie ich ihm so
zuhörte, wurde mir etwas mulmig. Einerseits war ich froh, dass
ich Leute gefunden hatte, die mir halfen über die Proteste zu
berichten. Für mich würde das alles einfacher machen. Ich
war von der Straße weg. So verringerte sich das Risiko,
aufzufallen und festgenommen zu werden.
Aber im selben
Moment, als ich da so im Auto saß, dachte ich auch: Wer sind
eigentlich diese Leute, in deren Obhut du dich da gerade so komplett
begeben hast? Kannst du ihnen trauen?
Dass mich Sayed Ali
und seine Freunde so in ihre Obhut nahmen, hatte jedoch seine
Berechtigung. Zwar wusste ich, bevor ich fuhr, dass es schwierig war
für Journalisten, aus Qatif zu berichten, aber das ganze
Ausmaß, wie weit das Königreich ging, um Berichte aus der
Ost-Provinz zu unterdrücken, war mir nicht klar.
Erst am Abend, als
wir gemeinsam zu der Demonstration gingen, erzählte mir Sayed
Ali, dass er ein BBC-Fernsehteam zu der Demonstration der Vorwoche
gebracht hatte. Die Sicherheitskräfte hätten die
Journalisten jedoch dort entdeckt, wären ihnen bis zu ihrem
Hotel in Dammam gefolgt und hätten sie dann festgenommen.
Diesmal müssten wir deshalb etwas vorsichtiger sein.
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