Im Königreich der Frommen (German Edition)
wurde. Manche aus Backsteinen und Stroh. Rank
ziehen sie sich mehrere Stockwerke in die Höhe in einer
altmodischen Version des Hochhauses. Dazu haben sie auf jedem Stock
dunkelbraun lasierte, fein geschnitzte Fensterläden und Erker
aus dunklen tropischen Hölzern.
Die Häuser
sind wunderbar unregelmäßig und stehen nicht nur wegen
des Verfalls etwas schief. Sie wurden eng beieinander errichtet und
lassen kaum Platz für eine Gasse oder manchmal einen schattigen
kleinen Platz zu ihren Füßen. In Al Balad gibt es
Straßencafés, in denen man eine Wasserpfeife rauchen
und Tee trinken kann. Manchmal spürt man eine leichte Brise vom
Roten Meer, denn der Hafen ist nicht weit.
Die Häuser
gehören den reichen Händlerfamilien Dschiddas. In den
oberen Geschossen wohnten sie. Im Erdgeschoss hatten sie oft einen
Laden. Noch heute ist das Viertel ein großer Bazar, auf dem
Früchte, Vorhänge und Teppiche, Spielzeug und Goldschmuck
verkauft wird.
Den Bewohnern Al
Balads sieht man die kosmopolitische Vergangenheit Dschiddas als
Handelszentrum an. Viele sind dorthin aus den Anrainerländern
des Roten Meeres gekommen, aus Ägypten und dem Sudan, aus Yemen
und Eritrea und auch aus Südasien.
Beginnend mit dem
saudischen Ölboom in den siebziger Jahren jedoch fingen die
Händlerfamilien an, in die Vororte im Norden Dschiddas zu
ziehen. Al Balad verarmte, bald standen viele Häuser leer.
Angelockt von den niedrigen Mieten zogen vor allem Einwanderer aus
Afrika in das Viertel.
Weil die Häuser
ihren Gebrauchswert eingebüßt hatten, ließen die
Händlerfamilien sie verfallen. Dass in die Häuser ein paar
Jahrzehnte nicht investiert wurde, ist ihnen heute deutlich
anzusehen. Eigentlich jedes Haus in Al Balad zeigt den Verfall. Bei
einigen scheinen nur die Fassaden zu bröckeln, andere sind wohl
nicht mehr zu retten. Ganze Stockwerke sind eingestürzt. Ein
paar Häuser sind sogar bis auf ein paar Mauerreste völlig
in sich zusammengefallen. Auf einigen brachen Flächen türmen
sich Geröllhaufen. Es bricht einem das Herz.
Zugegeben, das gibt
dem Viertel den Charme des Vergehenden, aber wohl nicht mehr lange,
denn irgendwann wird es gänzlich vergangen sein.
Die saudische
Regierung hat die Aufnahme Al Balads ins UNESCO-Weltkulturerbe
beantragt. Wie die saudischen Zeitungen anfangs meldeten, wurde der
Antrag im Sommer 2010 jedoch von der UNESCO abgelehnt. Was bei
solchen Anträgen auch nicht oft vorkommt. Als Begründung
habe die UNESCO angegeben, schrieb die „Saudi Gazette“
damals, das Viertel werde schlicht vernachlässigt.
Um das Gesicht zu
wahren, hat die saudische Regierung später die Version
kolportiert, sie habe den Antrag vor der Ablehnung der UNESCO
zurückgezogen. Zwei Jahre später wolle sie einen neuen
Antrag stellen. Währenddessen verfällt Al Balad weiter.
In Mekka und Medina
ist es nicht der Zahn der Zeit, der historische Gebäude
vernichtet, sondern sind es aktiv die saudischen Behörden
selbst, die das tun. Der britische „Independent“ hat
einige der markantesten Gebäude aufgelistet, die schon verloren
sind. Zum Teil stammten sie aus dem siebten Jahrhundert. In Mekka
wurde ein gesamter Hügel abgetragen und die darauf stehende,
aus der ottomanischen Periode stammende Ajyad-Festung dazu. Das
Geburtshaus des Propheten hat leise Servus gesagt und das Haus
Khadijas, der ersten Frau des Propheten, wurde geschleift. In Medina
stehen von den sieben antiken Moscheen, die an die historische
Schlacht der Gräben erinnerten, noch fünf. Die Moschee des
Enkels des Propheten wurde gesprengt.
Die
saudische Regierung möchte die Pilgerstätten in Mekka und
Medina erweitern. Im Jahre 2025 erwartet sie dort jährlich
siebzehn Millionen Pilger. Aber sie hat die Erweiterungsarbeiten
auch dazu benutzt, um der wahabischen Doktrin unliebsame Stätten
zu schleifen. Shirq lauert überall. Den Bildersturm haben die Saudis vor allem
gegen die Gräber der Gefährten und Zeitgenossen des
Propheten gerichtet und laut „Independent“ plädieren
führende wahabische Geistliche dafür, das Grab des
Propheten selbst zu schleifen.
Das Waschingtoner
Gulf Institute schätzt, dass 95 Prozent der historischen
Gebäude Mekkas und Medinas in den vergangenen zwanzig Jahren
zerstört wurden. Der Direktor der Islamic Heritage Foundation
Dr. Irfan Al Alawi glaubt, dass schon 400 bis 500 Stätten
unwiederbringlich verloren sind.
Die Länder der
Region, die um ihre Quoten für die Zahl der jährlich aus
ihren Ländern zugelassenen Pilger
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