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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Sunni-Dynastie zu retten.
Vielmehr war er vor allem ein Warnsignal an den Iran, dass das
Königreich ein von der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung
mitregiertes Bahrain vor der eigenen Haustür nicht dulden
würde.
    Alles was mit dem
Iran zu tun hat, ist für die saudische Königsfamilie ein
rotes Tuch. Schon im Dezember 2009 hat sie eine Strafaktion gegen
die jemenitischen Houthi-Rebellen an seiner Süd-Grenze
befohlen, weil die als Schiiten angeblich ein Einfalltor für
den Iran auf der Arabischen Halbinsel bieten könnten.
    Bahrain und die
Region von Qatif sind sich jedoch nicht nur örtlich nah, sie
teilen auch eine lange gemeinsame Geschichte. Beide werden schon in
antiken Quellen als Fischereihafen und Perlenfundstellen erwähnt.
Bis zum neunten Jahrhundert waren sie Teil des persischen Reiches,
danach kam Qatif unter ottomanische Kontrolle, Bahrain unter
portugiesische. 1792 geriet Qatif zum ersten Mal in den
Herrschaftsbereich der Al Saud, endgültig jedoch erst 1913.
Bahrain dagegen kam Ende des 19. Jahrhunderts in die britische
Einflusszone und erklärte nach einem von den Vereinten Nationen
überwachten Referendum 1971 seine Unabhängigkeit von der
britischen Kolonialmacht. Mehrheitlich stimmten die Bahrainis gegen
eine Vereinigung mit dem Reich des Schahs von Persien, dem heutigen
Iran.
    Schon vor mehr als
zweihundert Jahren zeigte sich allerdings deutlich die
unüberbrückbare Feindschaft des sunnitischen Islam der Al
Saud gegenüber dem Schia-Islam. Beim ersten Vordringen der
Truppen der Al Saud zum Persischen Golf ließen die nämlich
ihrer wahabischen Zerstörungswut freien Lauf. Sie zogen weiter
bis nach Kerbala, im heutigen Irak, und zerstörten den
heiligsten Ort der Schiiten, den Schrein Husseins – ein früher
Bildersturm, der auch heute bei vielen Schiiten der Region noch
nicht vergessen ist.
    Im wahabischen
Islam gelten Schiiten eben als Abweichler. Dort stehen sie
eigentlich noch eine Stufe unter Christen und Juden, Ungläubige
eigentlich, keine richtigen Saudis auf jeden Fall: die Anderen.
    Zurück zu
Sayed Alis Haus. Den ganzen Nachmittag kamen Freunde von ihm, alle
Mitte zwanzig. Zusammen schauten sie den iranischen
Nachrichtensender an und tauschten Neuigkeiten aus. Sayed Ali machte
immer wieder Telefonanrufe, Absprachen für die Demonstration am
Abend, sagte er.
    Sayed Alis Freunde
beschwerten sich über die Diskriminierung im Königreich
auf vielen Ebenen. Hussein, der Fahrer, erzählte, wie er sich
um eine Festanstellung bei einem Staatsbetrieb bewarb, die er nicht
bekommen habe, nur weil er Schiit sei. „Ich habe einen
Uni-Abschluss mit Auszeichnung. Ich habe alle Hürden genommen,
die Bewerbungen, Tests, und nur als sie beim Bewerbungsgespräch
gemerkt haben, dass ich Schiit bin, wurde ich abgelehnt.“
    Dass jemand Schiit
sei, könne man am Gesicht erkennen, helfen ihm die anderen in
der Runde, oder am Namen, oder am Eintrag im Personalausweis, dass
man in Qatif oder Umgebung geboren wurde. „Von einer Karriere
in der Polizei, im Militär oder in der Verwaltung können
wir nur träumen“, sagte einer. „Wir wollen endlich
gleich behandelt werden, wie jeder andere saudische Bürger.“
    Schon als wir am
frühen Nachmittag am Qatifer Polizeihauptquartier
vorbeigefahren waren, hatten meine Reiseführer gelacht, als ich
fragte, wie viele Schiiten dort beschäftigt seien.
    Sayed Ali und seine
Freunde sagten, der Grund für die Diskriminierung sei vor
allem, dass die Schiiten in Saudi Arabien verdächtigt würden,
mit dem Iran gemeinsame Sache zu machen. „Aber das ist doch
Unsinn. Wir sind saudische Bürger“, sagte Sayed Ali. „Und
das werden wir immer bleiben.“
    Das sind die
Zahlen, soweit es sie gibt: In Saudi Arabiens Ost-Provinz leben rund
zwei Millionen Schiiten, fast alle in der Region von Qatif und Al
Ahsa, rund 100 Kilometer im Landesinneren. Das ist eine Schätzung.
Eine verlässliche offizielle Zahl gibt es nicht. Ist sie jedoch
korrekt, wären fast fünfzehn Prozent der Saudis und fast
die Hälfte der Bewohner der Ost-Provinz Schiiten.
    Und Sayed Ali und
seine Freunde sind mit ihrem Gefühl, diskriminiert zu werden,
nicht allein. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
zum Beispiel beschreibt in einem Bericht aus dem Jahr 2009 die
Behandlung der Schiiten in Saudi Arabien als „systematische
Diskriminierung“. Andere gehen sogar noch weiter. Der Direktor
des Saudi Institute Ali Al Ahmed sprach vor dem
Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses von

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