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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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gefiel.
    Das machte ihn
nicht zu einem besseren Menschen. Aber meine Studenten, wenn sie
überhaupt schon mal irgendwo waren, erzählten von diesen
Erfahrungen wie von einem fernen Planeten. Hussein schien wirklich
Eindrücke gesammelt zu haben, die er schildern konnte. Das war
in diesem Moment jedoch gar nicht entscheidend. Entscheidend war,
dass er mit beiden Beinen im Berufsleben zu stehen schien, dass er
etwas aus seinem Leben machen wollte. Solche Leute würden
nichts Unüberlegtes tun, wurde mir da klar. Das machte mich
ruhiger. Das versicherte mich. Vielleicht konnte Sayed Alis Plan
gutgehen.
    Dann ging meine
Auslandsreise weiter. Wir parkten das Auto in einer kleinen Straße
mit Wohnhäusern und Gärten und betraten einfach so Sayed
Alis Haus.
    Während meiner
gesamten Zeit in Riad war ich nie in einem saudischen Privathaus.
Niemand hat mich dorthin eingeladen. Ich habe auch nicht besonders
darauf hingearbeitet. Ein Kollege von mir war einmal zuhause bei
einem seiner Studenten. Dazu waren wochenlange, generalstabsmäßige
Vorbereitungen nötig. Alle Frauen mussten aus dem Haus entfernt
werden, sonst hätte er nicht rein gedurft. Deshalb dachte ich,
es war vielleicht ganz gut, dass ich nie in diese verbotene Sphäre
eindrang, auch wenn sie mich schon interessiert hätte.
    Sayed Alis Haus war
groß und modern eingerichtet. Im Erdgeschoss war die offene
Küche mit einer Kücheninsel, einem großen Esstisch
und weißen Kacheln am Boden. Daneben lag gleich das Wohnzimmer
mit einer beigen Sitzgruppe und einem Glastisch. An der Treppe stand
ein Käfig mit einem großen tropischen Papagei darin.
Alles sah neu aus, alles war gut aufeinander abgestimmt, ein
bisschen wie im Ausstellungsraum eines Möbelhauses.
    Sayed Alis Frau
blieb die ganze Zeit im Obergeschoss. Ich sah sie nicht. Aber er
erzählte es, nachdem er mit seinem neun Monate alten Sohn auf
dem Arm von dort kam.
    Sayed Ali arbeitete
bei einer Bank in Qatif, sagte er. „Nicht ganz oben, aber auch
nicht ganz unten“, waren seine Worte. Ich war etwas
überrascht. Das waren also die wütenden Demonstranten,
über die das Königreich nichts nach außen dringen
lassen wollte.
    Schon als wir
reingekommen waren, hatte Sayed Ali einen Flachbildfernseher im
Wohnzimmer angeschaltet. Er stellte ihn auf einen iranischen
Nachrichtensender in arabischer Sprache. Ein paar Tage zuvor waren
1.000 saudische Soldaten in Bahrain einmarschiert. Am nächsten
Tag räumten die bahrainischen Sicherheitskräfte mit
brutaler Gewalt das Camp der Demonstranten auf dem zentralen
Perlenplatz in Bahrain-Stadt. Fast in einer Endlosschleife liefen
auf dem Kanal die Szenen der brutalen Räumung des Protest-Camps
und die anschließende Jagd und Verhaftung der Demonstranten.
Bilder, wie Sicherheitskräfte auf einzelne Demonstranten
einprügelten, die sie in Wohnvierteln gestellt hatten, wurden
immer wieder gezeigt und von Kommentatoren analysiert.
    Wie in Qatif sind
die Mehrheit der Bewohner Bahrains Schiiten. Der kleine Inselstaat
im Persischen Golf mit rund einer Million Einwohnern ist mit Saudi
Arabiens Ost-Provinz durch eine fünfundzwanzig Kilometer lange
Brücke übers Meer verbunden. Von Qatif dorthin ist es eine
halbe Stunde mit dem Auto.
    Für das
Königreich ist Bahrain gleichzeitig Bankenzentrum und
Vergnügungspark. Saudis fahren am Wochenende dorthin, um der
islamisch-strengen Atmosphäre zuhause zu entfliehen. Dort gibt
es Kinos und Bars und Diskotheken, die Alkohol ausschenken.
    Die Bevölkerung
in Bahrain ist zu fünfundsechzig Prozent schiitisch. Regiert
wird der Inselstaat jedoch von einer Sunni-Dynastie. Nur, anders als
in Saudi Arabien, hat die schiitische Mehrheit dort der
Königsfamilie ein Parlament abgetrotzt.
    Bahrain ist
außerdem ein strategisch wichtiger Stützpunkt für
die Fünfte US-Flotte, die den Iran auf der anderen Seite des
Persischen Golfes gut im Blick hat.
    Nach dem saudischen
Einmarsch haben US-Medien berichtet, das bahrainische Königshaus
und die schiitische Opposition hätten dank amerikanischer
Vermittlung unmittelbar vor einer Einigung gestanden, mit der beide
Seiten hätten leben können. Das war nur eines der
deutlichen Zeichen, dass die einst engen Verbündeten USA und
Saudi Arabien entschieden anderer Meinung waren über die
angemessene Reaktion auf den „Arabischen Frühling“.
    Das Königreich
kümmerte das jedoch wenig. Es ließ die Panzer nach
Bahrain rollen. Nur am Rande ging es bei dem saudischen Einmarsch
jedoch darum, eine verbündete

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