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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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der andere mit einer
Sturmhaube in der Tasche.
    Das sind genau die
Situationen. Ein paar Minuten an einem exponierten Ort
herumgestanden. Ein kleiner Lapsus in der Planung. Einmal nicht
aufgepasst.
    Jetzt kommt er auch
noch her, der komische Mann. Nach der letzten Ecke ist er
entschlossen auf einen Sandweg eingebogen, jetzt schlendert er in
unsere Richtung. Er kommt wirklich her. Schon ist er fast am Auto.
Mein Gott, was will er denn? Da klopft er auch schon an die Scheibe
der Fahrerseite. Jetzt sind wir fällig...
    Aus der
Jackentasche zieht er eine Zigarette und lässt sie sich von
Hussein anzünden. Er wollte nur Feuer. Genüsslich zieht er
an seiner Zigarette und lächelt schief. Dann bedankt er sich
und macht sich wieder auf den Weg. Methodisch beginnt er die nächste
Runde. Nur diesmal bläst er dabei dicke Rauchwolken in den
Nachthimmel. Wir atmen tief durch.
    Nach einer
quälenden halben Stunde ruft Sayed Ali endlich an. Es ist
soweit. Hussein und ich laufen zur anderen Seite des Parks. Dort
wartet Sayed Ali mit fünf anderen. Außer einem habe ich
sie noch nie gesehen.
    Jetzt geht alles
schnell. Vier Leute nehmen mich in ihre Mitte. Wir laufen um ein
paar Ecken, hasten ein paar enge Gassen entlang. Die gesamte Gegend
ist wie ausgestorben. Nirgends ist jemand zu sehen. Gespenstisch
hallen unsere Schritte von den Mauern der Häuser wider. Nur in
der Ferne höre ich ein Rauschen. Oder ist es ein Dröhnen?
Je näher wir kommen, umso lauter wird es. Wie eine Naturgewalt.
    Als wir um eine
letzte Ecke biegen, sehe und höre ich, wo der Lärm
herkommt. Eine enge Straße ist hell beleuchtet. An ihren
Seiten sind Geschäfte, Restaurants. Die meisten Fenster der
Wohnungen darüber sind blind. Aus einigen lehnen sich
Schaulustige heraus. Oder sind es Leute, die von da oben
mitdemonstrieren?
    Unten auf der
Straße brüllt eine Masse schwarzgekleideter junger
Männer, halb hüpft sie rhythmisch, halb walzt sie mit
vielen Beinen die Straße entlang. Darum geht es also. Deshalb
der ganze Aufwand.
    Zwei meiner
Begleiter greifen mich an den Unterarmen und ziehen mich auf dem
Gehsteig entlang. Einer Dritter läuft vor mir und macht den Weg
frei, ein Vierter hinter mir. Sayed Ali bleibt neben uns in
Hörweite.
    All das, weiß
ich, tun Sayed Ali und die vier, um mich zu beschützen. Es gibt
mir auch ein Gefühl von Sicherheit, aber es macht mich auch
hilflos, wie einen Blinden, der in der ewigen Dunkelheit geführt
werden muss.
    Meine Begleiter
tragen schon ihre Motorradhauben. Jetzt setze ich die blöde
Maske auch auf. Wenn ich bloß wieder heil hier rauskomme.
    Sayed Ali sagt,
nein, eigentlich brüllt er, weil es so laut ist um uns, die
Demonstrationen fänden immer in den engen Straßen der
Altstadt statt, weil die Polizei dort nicht so einfach mit ihren
Fahrzeugen manövrieren kann. „Und wir können nicht
so einfach festgenommen werden.“
    In dieser Nacht
ziehen 3.000 bis 4.000 Demonstranten durch diese Straße. Mit
ihren Schlachtrufen scheinen sie sich selbst Mut zu machen. Alle
sind voller Anspannung. Sie wissen am Ende der Straße, am
Ausgang der Innenstadt, wartet die Polizei mit Mannschaftspanzern an
einer großen Straßensperre. Darauf marschieren sie zu.
Immer wieder rufen sie, „Kein Schiit! Kein Sunni!“ Und:
„Friedlich! Friedlich!“ – den Schlachtruf des
„Arabischen Frühling“. Ein paar schwenken
rot-schwarze bahrainische Fahnen. Bis auf ganz wenige scheinen alle
unter fünfundzwanzig Jahren, einige sehen aus wie Kinder. Ganz
am Ende des Zuges, ein paar Meter hinter den Männern, folgt ein
kleiner Trupp Frauen im Darth-Vader-Kostüm.
    „ Wir haben
ihnen gesagt, sie sollen nicht demonstrieren. Es sei zu gefährlich“,
sagt Sayed Ali. „Aber wir konnten sie nicht abhalten. Sie
wollten unbedingt dabei sein.“
    Nach einer
Viertelstunde brachten mich meine Begleiter wieder durch das Gewirr
der Gassen nach draußen. Hussein holte mich mit dem Auto ab
und brachte mich gleich nach Dammam.
    Sayed Ali und die
anderen fünf gingen wieder zur Demonstration.
    Bis spät in
die Nacht lieferten sich Demonstranten und Polizei
Straßenschlachten. Die saudischen Sicherheitskräfte waren
mit mehreren Hundertschaften, leichten Panzern und Hubschraubern
gekommen. Sie schossen mit scharfer Munition in die Luft und mit
Gummigeschossen und Tränengas auf die Demonstranten. Die
saudischen Regierung hatte sogar Kampfpanzer in die Region verlegt.
    Sayed Alis Cousin
wurde in der Nacht festgenommen. Nach Angaben

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