Im Königreich der Frommen (German Edition)
Ich
dachte, oh ja, das wäre nicht schlecht.
Als ich wieder in
Riad war, schaute ich nach, ob ich etwas zu der angeblichen
Festnahme finden konnte.
Ich fand. Die
Journalistin Eman Al Qahtani berichtete bei „Twitter“,
sie wurde zusammen mit einem BBC-Fernsehteam festgenommen. Sie hatte
für die Journalisten in Qatif übersetzt, aber als sie das
Team zurück zu seinem Hotel in Dammam brachte, schlugen die
Sicherheitskräfte zu. Der Gouverneur der Ost-Provinz habe
direkte Order gegeben, keine Journalisten nach Qatif zu lassen,
zitierte sie einen Repräsentanten des Ministeriums für
Kultur und Information.
Sayed Ali und seine
Freunde hatten also gute Gründe für ihren
generalstabsmäßigen Plan. Blieb nur noch zu hoffen, dass
er auch funktionierte.
Wir fuhren durch
die Region von Qatif. Sie besteht aus dem Stadtzentrum, einigen
Dörfern oder Vororten – sie sind alle mit dem Stadtgebiet
verbunden – und der Insel Tarout. Wie viele Einwohner die
Region hat, ist nicht bekannt, nach Schätzungen rund 500.000.
Alle Zahlen die Schiiten in Saudi Arabien betreffend sind ein
Politikum.
Wir fuhren erst
nach Awamiya, dem Vorort in Qatif, der immer wieder für seine
radikalen Protestaktionen in die Schlagzeilen gerät. Die
Straßen in Qatif waren mir saudisch konform erschienen, wie
ich sie aus Riad kannte. Den Eingang nach Awamiya aber erkannte ich
bald wieder. Rund um einen Kreisverkehr waren zwei martialisch
aussehende Spähpanzer geparkt, ein Stück weiter ein paar
Mannschaftswagen der Polizei.
Die Häuser in
Awamiya standen enger zusammen, sahen älter aus und waren
vielleicht etwas ärmlicher als in Qatif-Stadt, aber sonst
konnte ich keinen großen Unterschied erkennen.
Dann fuhren wir auf
die Insel Tarout. Ich bin nicht sicher, ich hätte bemerkt, dass
wir auf eine Insel fuhren, wenn Sayed Ali es mir nicht gesagt hätte,
denn Tarout ist durch zwei breite Brücken mit dem Festland
verbunden. Dort sah ich mehr Straßen und mehr Häuser mit
Gärten und Palmen mit hellen, hohen Mauern, die den Blick von
der Straße verwehrten – die üblichen saudischen
Wohnviertel wirklich. Vielleicht war das Licht dort ein bisschen
intensiver, war alles ein bisschen in einen helleren Schein
getaucht, wie es oft am Meer ist. Vielleicht gab es dort ein
bisschen mehr Grün, mehr Sträucher, richtige Bäume,
manchmal sogar andere als Palmen, in den Gärten vor allem, aber
ansonsten war ich schon noch im Königreich.
Wir fuhren unter
einer Pipeline durch. Silbern verchromt und nicht besonders dick,
spannte sie sich über die Straße und streckte sich dann
weiter ins Landesinnere über eine grüne Wiese, an der
Seite ein Palmenhain – auf einer der wenigen unbebauten
Flächen, die ich in Qatif ausmachen konnte.
In der ganzen
Region sah ich jedoch nur eine Pipeline. Wir hatten auch danach
gesucht. Wir waren sogar speziell wegen ihr dorthin gefahren. Wir
stiegen aus und meine drei Reiseführer gaben mir die Ansprache
über das saudische Öl, das fast ausschließlich in
der Ost-Provinz sprudelt, das der Region doch kaum Entwicklung
bringt. Dann stiegen wir wieder ins Auto und fuhren zu Sayed Alis
Haus in einem der besseren Randbezirke von Qatif.
Während
draußen das Königreich an mir vorbeizog – mit
seinen sandfarbenen quaderförmig-eintönigen Neubauten, den
Spitzbögen und Säulen, den Kacheln an der Fassade, den
Betonpilzen und Betonmauern, den Neonreklamen über den Läden,
den vergitterten Klimaanlagen über den Schaufenstern, den
Glasfassaden der Banken, den Tankstellen unmittelbar neben den
Reinfahrstationen der Schnellrestaurants, damit Mensch und Maschine
gleich am selben Ort befüllt werden können, den
Apartmenthäusern, die so kleine Fenster haben, dass sie
aussehen wie Gefängnisse. Während also die saudischen
Städte und Vorstädte draußen an mir vorbeizogen, wie
ich sie aus Riad und anderen Städten kannte, entwickelte ich im
Auto schnell das Gefühl, ich wäre in einem fremden Land
angekommen – ein Gefühl, das mich auch später mit
Sayed Ali und seinen Freunden nicht verließ.
Hussein (den Name
habe ich geändert) saß am Steuer. Er hatte kurze dunkle
Haare und dunkle Augen und trug eine schlichte Hornbrille. Er war
freiberuflicher Computerspezialist beim saudischen Ölkonzern
Aramco. Er erzählte, er sei vor ein paar Wochen zu einem
Seminar in Berlin gewesen. Er kannte die Namen einzelner Straßen
und Plätze. Er berichtete von kalten Berliner Wintertagen. Die
kannte ich. Und wie gut es ihm trotzdem dort
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